Weltenschau - die 8. Berlin Biennale
Berlin ist eine der interessantesten Kunstmetropolen weltweit. Und die Berlin Biennale ist ihr Forum. Alle zwei Jahre, immer mit anderen Kuratoren, immer anders. Jetzt lädt die 8. Ausgabe zur Entdeckung.
Wege der Kunst
Das Berliner Institute for Contemporary Art, die "Kunst-Werke", ist seit 1998 das Stammhaus der Berlin Biennale und längst legendär. Die ehemalige Margarinefabrik gilt als Epizentrum des Berliner Kunstbetriebs, bislang stand sie im Mittelpunkt jeder Biennale. Die 8. Ausgabe aber macht sie zu einem Nebenschauplatz.
Auf an den Stadtrand!
Berlins Mitte sei künstlerisch verbraucht, sagt Juan A. Gaitán, der kolumbianisch-kanadische Künstler und Kurator der 8. Berlin Biennale. Deshalb ist er an den Stadtrand gegangen, nach Dahlem. Dort stellen die Staatlichen Museen ihre ethnologischen Sammlungen aus, die in wenigen Jahren ins neue Humboldt Forum, also ins Stadtzentrum, ziehen sollen. Für Gaitán ein Grund, Fragen zu stellen.
Dialog mit der Vergangenheit
Der in die Jahre gekommene Museumsbau im feinen Berliner Westen beherbergt Zeugen vergangener Kulturen aus aller Welt. Nun wurden Arbeiten von 28 zeitgenössischen Künstlern, ebenfalls aus aller Welt, behutsam dazu gesellt. Einige suchen den Dialog mit der Vergangenheit. Erinnern die Kunstblumen des Kolumbianers Alberto Baraya nicht an die Schätze, die Humboldt einst in der Welt gesammelt hat?
Biennale der Stille
Eine ruhige, unaufgeregte Biennale hat Juan A. Gaitán kuratiert. Sie fordert dazu auf, sich mit den Werten auseinanderzusetzen, die in Museen ausgestellt werden, mit der Geschichte des Ausstellungsmachens und mit dem Bewusstseins- und Wertewandel. Und sie plädiert dafür, nach der Geschichte hinter den Objekten und Kunstwerken zu fragen.
Vergessene Realitäten
Beatriz González befasst sich beinahe ein Leben lang mit der (post-) kolonialen Geschichte Kolumbiens sowie der Darstellung der politischen Realität des Landes. Mit ihren Straßenschildern nachempfundenen Bildern sensibilisiert sie für die dramatische Situation der Landbevölkerung in ihrem Heimatland.
Eingeschriebene Geschichte
David Chalmers Alesworth interpretiert die Zähmung der Natur und deren Migrationsgeschichte. Außerdem hat der Brite Kunstwerke hergestellt, die er selbst als "textile Interventionen" bezeichnet. Dabei schreibt er Untersuchungen zur Kolonialgeschichte in alte, handgewebte Teppiche ein. Oder er wird als Künstler zum Gärtner, indem er auf alten Teppichen neue Stadtlandschaften anlegt.
Haus am See
Das Haus am Waldsee, ebenfalls im verträumten Südwesten der Stadt gelegen, ist eine weitere Station dieser 8. Berlin Biennale. Ein Haus mit Geschichte, ein Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts. Erbaut wurde es von einem jüdischen Textilfabrikanten. Von 1946 bis zum Mauerfall war es eine wichtige West-Berliner Kunstinstitution. Dann kam der Hype um die neue Mitte und das Haus geriet in Vergessenheit.
Unter Beobachtung
Ein Rehauge lugt aus dem Mantel eines Jägers hervor. Es scheint jeden ins Visier zu nehmen, der das Haus am Waldsee betritt. Die Installation gehört zu "A private collection" und ist eine aparte Einstimmung auf eines der zentralen Themen der hier gezeigten Arbeiten: Es geht um die wilde, unberührte Natur. Und um den Menschen, der sie mit Stadtlandschaften überformt hat.
Rückwärtige Geschichten
Im Obergeschoss des Hauses am Waldsee stellt der Schwede Matts Leiderstam aus. Er hat Portraits fotografiert, die er in den Sammlungen der Berliner Gemäldegalerie und in Stockholms Nationalmuseum entdeckt hat. Leiderstam lässt sie aus der Wand ragen und zeigt so auch die Rückseiten mit Aufklebern, Inventarnummern und Notizen aus anderen Zeiten.
Dialog der Kulturen
Eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit der S-Bahn von Wannsee zu den Kunstwerken in Berlins Mitte. Es ist eine Zeitreise. Der Ton der Biennale aber ändert sich kaum. Die Portugiesin Leonor Antunes vereint Handwerkspraktiken brasilianischer indigener Stämme und ganz modernistische Strömungen. Ein Dialog, in dem die Zeiten verschwimmen.
Künstlerische Intervention
Kurator Juan A. Gaitán will bei dieser Biennale manches erkunden – unter anderem auch die Vergänglichkeit von Ausstellungen. Die Kanadierin Judy Radul verabschiedet sich schon mal von den Museen in Berlin Dahlem. Wenn ihre Sammlungen ins neue Stadtschloss umziehen, braucht man die alten Vitrinen nicht mehr. Eine künstlerische Intervention wider den Umzug!
Hinhören, hinsehen
Ganz oben im Fenster des Treppenhauses der Kunstwerke sitzt diese steinerne Eule von Zarouhie Abdalian. Sie schaut hinaus in die Stadt, auf das Meer der Dächer, den weiten Himmel über ihr. "Lockeule" heißt sie und fordert uns auf, es ihr nachzutun. Die Stadt vorsichtig zu erkunden, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Gerade so wie diese leise, aber nachklingende Biennale.
Das Berliner Institute for Contemporary Art, die "Kunst-Werke", ist seit 1998 das Stammhaus der Berlin Biennale und längst legendär. Die ehemalige Margarinefabrik gilt als Epizentrum des Berliner Kunstbetriebs, bislang stand sie im Mittelpunkt jeder Biennale. Die 8. Ausgabe aber macht sie zu einem Nebenschauplatz.