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Weltgesundheitsgipfel in Berlin: Mit vereinten Kräften gegen Ebola

Bettina Marx20. Oktober 2014

Eine Berührung genügt, um sich mit dem tödlichen Ebola-Virus anzustecken. In Afrika sind schon mehr als 4800 Menschen gestorben. In Berlin berieten Experten über die Seuche. Die Zeit drängt, die Lage ist dramatisch.

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Symposium über Ebola beim World Health Summit in Berlin am 20.10.2014. Am Rednerpult Walter Lindner, Ebola-Beauftragter der Bundesregierung.
Bild: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Zu spät und zu wenig – so ist das Fazit von Florian Westphal, Direktor der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Viel zu spät habe die westliche Welt auf den Ausbruch von Ebola in Westafrika reagiert, sagte er beim Weltgesundheitsgipfel in Berlin. Seine Organisation habe schon seit langer Zeit vor der Ausbreitung des Virus gewarnt. "Die internationale Staatengemeinschaft war nicht bereit und viel zu lange auch nicht gewillt, unsere Warnungen zu hören", erklärte er vor Ärzten, Experten und Diplomaten, die zu früher Stunde in den Weltsaal des Auswärtigen Amtes gekommen waren, um über die Bekämpfung der Seuche zu beraten. Ärzte ohne Grenzen sei froh, dass die internationale Staatengemeinschaft nun sei. Noch immer aber blieben die Bemühungen weit hinter den Anforderungen zurück. Es müsse viel mehr getan werden, um zu verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreite. Daneben müssten aber auch die Erkrankten behandelt werden. In den Notfallstationen, die Ärzte ohne Grenzen in den drei am schwersten betroffenen Ländern Liberia, Sierra Leone und Guinea eingerichtet hat, seien 4600 Menschen mit Symptomen aufgenommen worden. Von den 2770 bestätigten Ebola-Fällen seien 1500 an dem Virus gestorben. Immerhin 1000 Patienten hätten die Krankheit jedoch überlebt. Ärzte ohne Grenzen habe nun damit begonnen, Schutzpakete an Familien auszuteilen, damit diese sich wenigstens für kurze Zeit vor dem Virus schützen könnten. 75.000 Familien wolle man damit versorgen.

Dringend benötigt werden Leichensäcke für die Toten

Ebola stellt die ehemaligen Bürgerkriegsländer in Westafrika vor fast unlösbare Probleme. Die Gesundheitsversorgung in Liberia und Sierra Leone ist extrem unterwentwickelt, die Krankenhäuser sind mit dem Ansturm der Patienten überfordert, das medizinische Personal ist schlecht ausgebildet und praktisch gar nicht ausgestattet. Es fehlt an Schutzanzügen, Desinfektionsmitteln, Medikamenten und Betten. Darüber hinaus benötige man dringend Leichensäcke für die Toten, sagte Liberias Botschafterin in Deutschland Ethel Davis. Besonders dramatisch ist die Lage in Guinea, wo es nur 26 Prozent der benötigten Betten für Ebola-Kranke gibt. Nach den letzten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in sieben betroffenen Ländern, darunter die USA und Spanien, insgesamt 9216 Personen infiziert. Die Dunkelziffer sei mit Sicherheit jedoch weit höher, so Roberto Bertollini, leitender Wissenschaftler und Repräsentant der WHO bei der Europäischen Union. Es gebe aber auch gute Nachrichten: So sei Senegal inzwischen Ebola-frei und auch Nigeria habe es geschafft. Dies zeige, dass man den Ausbruch der tödlichen Seuche stoppen könne. Die WHO habe eine Road Map erarbeitet, mit deren Hilfe man die Ausbreitung des Virus innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate aufhalten wolle.

Eine Frau wirft in Monrovia Erde auf die Leiche ihrer Schwester, die von Helfern auf einer Bahre weggetragen wird. Foto: Getty Images
Abtransport einer an Ebola Verstorbenen in Liberias Hauptstadt MonroviaBild: Getty Images/John Moore

Westafrika steht vor dem wirtschaftlichen Kollaps

Die Seuche rafft nicht nur Tausende Menschen in Westafrika dahin, sie hat auch schwerwiegende Auswirkungen auf Wirtschaft und soziales Gefüge der betroffenen Staaten. Das unterstrich Botschafterin Davis. "Die Epidemie untergräbt die Substanz unseres gesellschaftlichen und sozialen Systems", sagte sie in Berlin. Die Menschen seien angewiesen worden, möglichst nicht mehr ihre Häuser zu verlassen, die meisten staatlichen Behörden arbeiteten nur noch mit Notbesetzungen, Firmen und Schulen seien geschlossen. Die Staatseinnahmen seien eingebrochen, die Preise gestiegen. Wenn der Virus nicht eingedämmt werde, rechneten Experten mit einem Rückgang der Wirtschaft um 12 Prozent. "Wir brauchen Hilfe, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln", appellierte Davis an die Weltgemeinschaft. Auch die landwirtschaftliche Produktion stehe vor großen Problemen, denn Bauern und Landarbeiter blieben aus Angst vor der Seuche zuhause. Über kurz oder lang sei Liberia auf Lebensmittelhilfe angewiesen. "Diese Krankheit hat unser ganzes Leben verändert", sagte die Botschafterin. Familienangehörige hätten Angst, ihre erkrankten Verwandten zu pflegen. "Ein einfacher Akt der Freundlichkeit oder der Liebe wie das Berühren von Ehemann, Frau oder Kindern kann todbringend sein." Die Menschen in Liberia lebten in Angst und Panik.

"Ich verneige mich in Demut vor den Helfern"

Walter Lindner ist Ebola-Beauftragter der Bundesregierung. Vor zwei Wochen wurde der Diplomat und frühere deutsche Botschafter in Kenia von seinem letzten Botschafterposten in Venezuela abberufen, um diese Aufgabe zu übernehmen. Er habe die letzten acht Tage in der Region verbracht, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, sagte der Mann, dessen Markenzeichen sein Pferdeschwanz ist. "So etwas habe ich zuvor noch nie erlebt", fasste er seine Erfahrungen zusammen.

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Die Menschen lebten in ständiger Angst vor der tödlichen Krankheit. Jeder Kopfschmerz, jedes leichte Fieber könne ein frühes Symptom der Seuche sein. Er habe großen Respekt vor den Helfern, die in dieser verzweifelten Situation Übermenschliches leisteten, vor allem vor den Ärzten ohne Grenzen, die vor einigen Jahren völlig zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen hätten. "Ich verneige mich in Demut vor diesen Menschen", so Lindner.

Jetzt müsse man dafür sorgen, dass die internationale Staatengemeinschaft koordiniert vorgehe, um die Seuche zu besiegen. Über die unmittelbare Hilfe für die Erkrankten hinaus müsse man den betroffenen Ländern wirtschaftlich helfen, um ihren Zusammenbruch zu verhindern.