Wie das Kino Homosexualität zum Thema macht
Viele Hollywood-Stars spielen Schwule oder Lesben. Das war nicht immer so in den letzten hundert Jahren. Unsere Auswahl zeigt, wie sich das Kino dem Thema annähert.
Anders als die Andern (1919)
"Anders als die andern" gilt als weltweit erster Film über Homosexualität. Der jüdische Regisseur Richard Oswald plädiert darin für die Abschaffung von Paragraf 175 (wurde 1994 abgeschafft), der sexuelle Handlungen unter Männer unter Strafe stellt. Die Premiere in einem Berliner Kino endete in einem Tumult. Auf den Index kam der Film nicht, denn eine Zensur gab es zwischen 1918 und 1920 nicht.
Infam (1961)
Die Homosexualität zweier Lehrerinnen ist das Thema von "Infam". Shirley MacLaine spielt eine lesbische Grundschullehrerin, die unglücklich in ihre Kollegin (Audrey Hepburn, l.) verliebt ist. Es war der zweite Anlauf von Regisseur William Wyler, diese Story umzusetzen. Beim ersten Mal ("Infame Lügen") wurde er gezwungen, ein Happy End erfinden - in "Infam" bringt sich die Lehrerin am Ende um.
Tod in Venedig (1971)
Luchino Visconti verfilmte die gleichnamige Novelle von Thomas Mann. Der Protagonist Gustav von Aschenbach, ein 50 Jahre alter Schriftsteller, himmelt am Strand einen Jüngling an, der im gleichen Hotel wohnt. Es geht um die Unterdrückung verbotener Leidenschaften - um die Liebe zu einer minderjährigen und dazu noch gleichgeschlechtlichen Person. Ein Tabu - damals wie heute.
Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt (1971)
Der Regisseur Rosa von Praunheim wusste aus eigener Erfahrung, wie es ist, als Homosexueller gegen Selbsthass und Schuldgefühle anzukämpfen. Der Film erzählt offen von den Stationen im Leben eines Schwulen: vom Alltag in einer eheähnlichen Gemeinschaft über herumstreunende Ledertypen im Park bis hin zu einer Schwulenkommune.
Mein wunderbarer Waschsalon (1985)
Der Schauspieler Daniel Day-Lewis (l.) kam mit seiner Rolle als Johnny in dem Film von Regisseur Stephen Frears erstmals groß raus. Die Geschichte handelt von einem Pakistani (Gordon Warnecke), der durch Zufall die Leitung eines Waschsalons in London übernimmt. Während der Arbeit kommen sich die beiden schwulen Männer näher - doch ihre Liebe stößt auf großes Misstrauen in ihrer Umgebung.
Maurice (1987)
James Ivory verfilmte diese Geschichte einer unglücklichen Liebe im Großbritannien der 1910er Jahren. Maurice (James Wilby) und Clive (Hugh Grant, l.) besuchen dasselbe College. Sie verlieben sich. Doch das offene Bekenntnis, schwul zu sein, würde den Ausschluss aus der Gesellschaft bedeuten. Deshalb heiratet Clive standesgemäß eine Frau, während sich Maurice in einen anderen Mann verliebt.
My own private Idaho (1991)
Mike (River Phoenix, r.), ein Straßenkind, begibt sich auf die Suche nach seiner Mutter. Scott (Keanu Reeves) begleitet ihn dabei. Beide prostituieren sich. Mike ist in den heterosexuellen Scott verliebt, der sich von ihm abwendet. Dieser Film begründete eine neue Epoche: das New Queer Cinema, die goldene Ära des schwul-lesbischen Kinos.
Der bewegte Mann (1994)
Macho trifft auf Dragqueens: Axel (Til Schweiger) ist das Klischee eines heterosexuellen Mannes, der jeder Frau hinterherpfeift. Ausgerechnet er sucht Unterschlupf in einer Schwulen-WG (u.a. Joachim Król), was für große Verwirrung bei seiner Freundin sorgt. Sönke Wortmanns Comic-Adaption entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Komödien der 1990er Jahre. Inzwischen gibt es sogar ein Musical.
Brokeback Mountain (2005)
Auch "Brokeback Mountain" handelt von einer verbotenen Liebe zweier Männer. Die beiden Cowboys Jack (Jake Gyllenhaal, l.) und Ennis (Heath Ledger) wildern und saufen zusammen, doch ein Paar dürfen sie nicht sein. Das ist in ihren Cowboy-Kreisen ein Tabu. Deshalb heiraten sie zwei Frauen. Ang Lee gewann mit diesem Neo-Western drei Oscars und schuf ein unvergessliches Melodrama.
Carol (2015)
Kate Blanchett (r.) und Rooney Mara spielen in "Carol" zwei Frauen, die sich in den frühen Fünfzigern in New York verlieben, aber ihre Beziehung geheim halten müssen - sexuelle Revolution, Emanzipation und Schwulenbewegung sind noch weit entfernt. Todd Haynes verfilmte die Romanvorlage von Patricia Highsmith, die ihr Werk 1952 wegen des heiklen Themas unter Pseudonym veröffentlichte.