Glaube und Jugend
3. September 2012Für nur noch 27 Prozent der katholischen und 23 Prozent der evangelischen Jugendlichen in Deutschland spielt der Gottesglaube eine wichtige Rolle. Dies ist eines der Ergebnisse der Shell-Jugendstudie. Der Energiekonzern hatte unabhängige Institute 2010 mit dieser Untersuchung beauftragt. In der Studie wurden 2500 Jugendliche auch zu ihren Glaubens- und Wertvorstellungen befragt. Selbst die jungen Menschen, die sich in der Kirche engagieren, sind sich ihres Glaubens oft nicht sicher.
Die 15-jährige Jana Fleischhauer engagiert sich in ihrer evangelischen Gemeinde, trägt als Lektorin im Gottesdienst Bibelverse vor und betreut als Teamerin Kinder- und Jugendfreizeiten. Zugleich räumt sie ein: "Ich glaube nicht wirklich an Gott. Mir ist die Gemeinschaft in der Gemeinde wichtig". Jana geht gern zu den Taizé-Gottesdiensten, die einmal im Monat in der Gemeinde angeboten werden: Andachten, die geprägt sind von den spirituellen Liedern und den getragenen Melodien der französischen Kommunität Taizé. Die alljährlichen ökumenischen Jugendtreffen dieser Gemeinschaft haben es Jana sehr angetan: "Da würde ich auch gern mal hinfahren“.
Gesucht wird die Gemeinschaft
Die Gemeinde als Gemeinschaftserlebnis, dies verbinden viele Jugendliche mit der Kirche, sagt Christine Uhlmann. Sie ist Referentin der Sinus-Akademie in Berlin, die in einer aktuellen Untersuchung, im April diesen Jahres, der Frage nachgegangen ist: "Wie ticken Jugendliche? Jugendliche Lebenswelten von 14 bis 17 Jahren". Viele von ihnen sprechen über positive Erfahrungen mit dem evangelischen Konfirmanden-Unterricht und der katholischen Firmungsgruppe. "Vor allem das Gemeinschaftserlebnis wird immer wieder betont."
Die Sinus-Mitarbeiterin und Theologin weist darauf hin, dass viele Jugendliche ein großes Interesse am Thema Glauben haben, dass sie auf der Sinnsuche seien. Allerdings wollen sich vor allem die philosophisch geprägten, so genannten "experimentalistischen Hedonisten" und die den digitalen Techniken zugewandten "Expeditiven" lieber allein auf den Weg der Sinnsuche begeben. "Der Glaube ist für sie spannend, soweit er möglichst wenig institutionalisiert ist, also möglichst wenig mit Kirche zu tun hat."
Gott ja, Kirche nein danke?
Ein schwieriges Terrain für Leute wie Dirk Tänzler. Er ist der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Der BDKJ gehört zu den Auftraggebern der Sinus-Milieustudie. Tänzler ist froh darüber, dass Jugendliche noch nach Religion und Transzendenz suchen. Aber er räumt auch ein, dass die Kirche die Jugendlichen kaum noch erreicht: "Die Vermittlungswege der traditionellen Kirchen sind überarbeitungswürdig". Und: "Wir merken, dass wir in der Institution an Grenzen stoßen." Er gesteht offen ein, dass das konservative Image der Kirche in der Jugendarbeit eine Belastung darstellt. Gerade wenn man mit Menschen zu tun habe, die der Kirche nicht so nahe stünden, habe man schlechte Karten. "Da müssen wir was verändern."
"Ich bin irgendwie irgendwas"
Eines der Ergebnisse der Sinus-Studie: Jugendliche sind eigentlich nur noch über Projekte für die Kirche zu begeistern. Auch der 17-jährige Jochen Lammers und die 21-jährige Ines Händel sind über ein Projekt auf die Kirche aufmerksam geworden. Sie machen im Ten Sing-Chor mit. Innerhalb eines Jahres erarbeitet ein kirchlicher Jugendchor aktuelle Songs zu einem Bühnenprogramm. Ines Händel gefällt vor allem, dass die Jugendlichen alles selbst organisieren. "Und ein super fettes Konzert zum Abschluss, das ist einfach toll", schwärmt die Studentin. Eigentlich ist Ines katholisch, aber das spielt in dem evangelischen Ten Sing-Projekt keine Rolle. Ob sie wirklich an Gott glaubt, das weiß sie noch nicht so recht. "Mit der katholischen Kirche habe ich es nicht so; evangelisch bin ich aber auch nicht. Ich bin irgendwie irgendwas", sagt sie und muss lachen.
Jochen Lammers, der seit drei Jahren in der Ten Sing-Gruppe mitmacht, "glaubt an einen Gott, der alle beschützt." Er engagiert sich als Teamer im Kindergottesdienst und geht auch gern am Sonntag in die Kirche. Eher die Ausnahme für einen Teenager. Die Erfahrung hat auch die 15-jährige Jana gemacht. Ihre Mitschüler würden manchmal irritiert auf ihr kirchliches Engagement reagieren: "Wie, du bist doch schon konfirmiert. Was machst du denn dann noch in der Kirche?" Jana lebt im niedersächsischen Hannover. Da ist das kirchliche Engagement einer Jugendlichen aber noch nicht so ungewöhnlich wie in den östlichen Bundesländern. Denn hier spielt Religiosität bei Jugendlichen fast gar keine Rolle.