Wieder Schüsse in Kiew
20. Februar 2014Trotz der von Präsident Viktor Janukowitsch verkündeten Einigung mit der Opposition flammt die Gewalt in Kiew wieder auf. So berichtete die Polizei, dass Regierungsgegner in der Nähe des Maidan-Platzes das Feuer auf Sicherheitskräfte eröffnet hätte. Die Schüsse seien erwidert worden.
Im Parlament kam es derweil während einer Sitzungspause zu einer Schlägerei zwischen mehreren Abgeordneten. Auch das Eindringen in das Gebäude von bewaffneten Polizisten löste Irritationen aus. Durch verzögerte sich die Debatte über eine Beschränkung der präsidialen Vollmachten.
Ein symbolischer Akt
Am Tag zuvor hatten ukrainische Abgeordnete in einer Parlamentssitzung verlangt, dass sich alle Einheiten in ihre Kasernen zurückziehen. Zudem untersagten die Parlamentarier den Einsatz von Schusswaffen. An der Sitzung nahmen 238 der insgesamt 450 Abgeordnete teil.
Die praktische Bedeutung des Parlamentsbeschlusses ist unklar, Beobachter sprachen von einem symbolisch wichtigen Schritt, nachdem der Geheimdienst SBU am Mittwoch einen landesweiten "Anti-Terror-Einsatz" gegen Regierungsgegner angekündigt hatte.
Scharfschützen töten gezielt
Bei den Straßenschlachten zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften sind nach offiziellen Angaben bisher mindestens 77 Menschen getötet worden. Diese Zahl nannte das ukrainische Gesundheitsministerium. Die meisten Opfer starben, als unbekannte Scharfschützen gezielt auf Demonstranten feuerten. Etliche Todesopfer seien nur von einer einzigen Kugel getroffen worden, sagte ein der Opposition nahestehender Mediziner der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
Wer genau auf die Demonstranten schoss, war unklar. Auf Fotos und Fernsehbildern waren teils vermummte Scharfschützen in Uniformen zu sehen. Gerüchten zufolge könnte es sich entweder um außer Kontrolle geratene Geheimdienstmitarbeiter, bezahlte regierungstreue Provokateure oder auch russische Spezialeinheiten handeln. Bei den Kämpfen wurden aber auch Sicherheitskräfte getötet.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Regierung und Opposition machten sich gegenseitig für die blutige Eskalation verantwortlich. Das Innenministerium räumte Schüsse auf Demonstranten ein - die Polizisten hätten aber allein aus Notwehr gehandelt. Die Sicherheitskräfte seien zuvor von Scharfschützen und radikalen Regierungsgegnern beschossen worden.
Oppositionspolitiker Vitali Klitschko machte die Staatsführung für den Bruch des Gewaltverzichts verantwortlich. "Die Regierung hat vor den Augen der gesamten Welt zu blutigen Provokationen gegriffen", hieß es in einer Mitteilung. "Bewaffnete Verbrecher wurden auf die Straßen gelassen, um Menschen zu verprügeln."
zam/wl/sc (dpa, afp, rtr)