Schäfer: "Überraschung ist möglich"
4. März 2015DW: Blicken wir kurz ins Jahr 1970 zurück! Sie haben damals mit Kickers Offenbach im DFB-Pokalfinale den 1. FC Köln mit 2:1 geschlagen. Das war der größte Erfolg des Vereins. Wie haben Sie das damals erlebt?
Winfried Schäfer: Es war eine kuriose Sache. Ich war ja mit Borussia Mönchengladbach 1970 Meister geworden und wollte dann nach Köln wechseln. Die Kölner wollten mich nicht, einige Spieler hatten gemeutert. Ich habe den Vertrag zerrissen und bin nach Offenbach gegangen. Kurioserweise trafen wir im Pokal-Endspiel ausgerechnet auf den 1. FC Köln, auf jene Spieler wie Wolfgang Overath, die gegen mich gewesen waren. Das war natürlich ein Topspiel für mich. Ich erinnere mich noch heute, wie Overath hinter mir herlief und nicht mehr konnte. Die Partie wurde auch kurz unterbrochen. Köln bekam einen Elfmeter, der keiner war. Werner Biskup verschoss ihn. Es gab Tumulte auf dem Platz, aber am Ende war es ein riesiger Erfolg.
Heute spielt Offenbach in der vierten Liga. Verfolgen Sie noch, was dort passiert?
Ich habe fünf Jahre bei den Kickers gespielt und hatte eine gute Zeit. Dann kam der Bundesliga-Skandal, wo Spieler von Schalke, Hertha, Bielefeld und auch Offenbach Spiele manipuliert haben. Offenbach wurde in die Regionalliga zwangsversetzt. Wir blieben in allen Spielen ungeschlagen und sind wieder aufgestiegen. Wir haben Bayern München mit 6:0 geschlagen und auch Borussia Mönchengladbach. Es war eine tolle Atmosphäre, und es ist traurig zu erleben, was aus diesem Club geworden ist. Aber das widerfährt häufig Traditionsvereinen, wie auch Rot-Weiß Essen, wo die Vereinsführung nicht optimal ist. Das ist das große Problem.
Worin sehen sie die Stärken des Vereins?
Wir haben uns früher immer an Eintracht Frankfurt gemessen. Die Frankfurter waren die Diva, die Kickers die Arbeiter. Das galt für die Fans und auch für das Team. Die Zuschauer wollten gar nicht, dass wir zaubern. Sie wollten, dass wir unsere Spiele über den Kampf gewinnen. Wir hatten damals unter anderen Erwin Kostedde, Siggi Held und Manfred Ritschel in unseren Reihen und haben einen tollen Kraftfußball gespielt, mit viel Laufvermögen. Wir wollten immer besser sein als die Eintracht. Das hat uns motiviert.
Offenbach ist derzeit Spitzenreiter der Regionalliga Südwest und hat erst ein Spiel verloren. Haben die Kickers eine realistische Chance, Borussia Mönchengladbach aus dem Pokal zu werfen?
Sie kennen den berühmten Satz: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Die Kickers haben auch vor zwei Jahren gegen den VfL Wolfsburg [Anm. der Red.: Offenbach verlor im Viertelfinale 1:2] gut gespielt. Wenn der Funken überspringt, wird es für Borussia Mönchengladbach nicht einfach. Gladbach spielt einen guten Fußball, geht aber häufig Zweikämpfen aus dem Wege. Wenn Offenbach früh attackiert und ein schnelles Tor macht, wird auch eine Mannschaft wie Mönchengladbach nervös und macht Fehler. Eine Überraschung ist möglich, davon bin ich überzeugt.
Werden die Fans ausflippen, wenn Offenbach tatsächlich gewinnt und das Viertelfinale erreicht?
Natürlich flippen die aus, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es in Offenbach häufig Randale gab, außer vielleicht, wenn es gegen Vereine wie Waldhof Mannheim ging. Für den Club wäre es natürlich auch wirtschaftlich ein ganz wichtiger Faktor. Sie könnten dann wieder ein wenig durchatmen und besser arbeiten. Es wäre schön, wenn Offenbach zumindest wieder in die 2. Liga aufsteigen würde, um dort eine Marke zu setzen und irgendwann den Angriff nach ganz oben zu starten. Das ist natürlich ein langer und harter Weg. So ein Pokalerfolg kann dabei helfen.
Winfried Schäfer absolvierte in seiner Spielerkarriere über 400 Bundesligapartien für Kickers Offenbach, den Karlsruher SC und Borussia Mönchengladbach. Mit den Kickers gewann er 1970 den DFB-Pokal. Derzeit arbeitet der 65-Jährige als Nationaltrainer Jamaikas.
Das Interview führte André Leslie.