1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Silos für mehr Profit

25. Mai 2011

Tornados, Hagel, Trockenheit - die Weltbank warnt vor einer neuen Lebensmittelkrise. Die Getreidepreise schwanken heftig. Amerikas Farmer wollen vorsorgen: Wer es sich leisten kann, baut Silos für Vorräte.

https://p.dw.com/p/11MUK
Getreide-Silos in Nebraska (Foto: Miriam Braun)
Getreide-Silos in NebraskaBild: Miriam Braun

Braungepflügte Äcker soweit das Auge reicht. Der Himmel ist strahlend blau, aber das kann sich jeden Moment ändern, noch einen Tag zuvor wütete ein leichter Tornado über diese Felder. Das Wetter ist wechselhaft in Nebraska, mitten im Mais-Gürtel der USA. Viele der Felder, die fast bis zum Horizont reichen, gehören dem 63jährigen Farmer Wayne Brinkmeyer.

Farmer Wayne Brinkmeyer aus Nebraska, dem Mais-Gürtel der USA (Foto: Miriam Braun)
Farmer Wayne Brinkmeyer aus NebraskaBild: Miriam Braun

Seine Farm, 30 Meilen südlich von Lincoln, Nebraska, ist seit drei Generationen in Familienbesitz. Soya, Mais und Popcorn baut er an. In dem großen Baum vor dem Bauernhaus schwingt eine Reifenschaukel. Aufgehängt für seine vier Töchter, wird sie heute von den Enkeln genutzt. Fünf silberglänzende Silos stehen auf seinem Gelände. Das Neuste hat er im vergangenen Jahr gebaut. Für 16.000 Doller fasst der Speicherturm etwa 16.000 Scheffel Getreide.

Speicher werden immer wichtiger

"Eigener Speicherplatz wird von Jahr zu Jahr wichtiger", erklärt Brinkmeyer. Wer mehr produziert könne seine Ernte einlagern und dann verkaufen, wenn die Preise noch weiter gestiegen sind. Auch deswegen glänzen immer mehr silberne Wellblechdächer in Nebraska und in den anderen Staaten im Maisgürtel der USA in der Sonne. Viele Farmer investieren in Getreidespeicher und Silos: In den letzten drei Jahren wurden in einigen Gegenden der USA mehr Container gebaut als in den vergangenen 30 Jahren zusammen.

Die Farmer setzen auf weiterhin steigende Rohstoffpreise, und die Rechnung scheint auzugehen: Der Preis für Mais beispielsweise hat sich an den Rohstoffbörsen in Chicago im letzten Jahr verdoppelt. Allein im vergangenen Monat ist er, trotz des Einbruchs Anfang Mai, um fast 16 Prozent gestiegen.

Landmaschinenhersteller profitieren

Martin Richenhagen, Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Landmaschinenkonzerns AGCO. (Foto: AGCO)
Richenhagen: "Wir haben bereits eine Lebensmittelkrise"Bild: AGCO

Von der Investionslaune der Bauern profitieren auch die Hersteller von Landmaschinen oder anderen Agrarprodukten. Auch deswegen sind für diese Firmen steigende Rohstoffpreise erstmal kein Grund zur Sorge. Martin Richenhagen ist der deutsche Vorstandschef vom US-Landmaschinenhersteller AGCO. Er rechnet vor: "Ich bin jetzt 57 Jahre alt, als ich geboren wurde, gab es auf der Erde 2,6 Milliarden Einwohner, und jetzt sind es 6,7 Milliarden." Jede Minute wachse die Weltbevölkerung um 156 Menschen, und die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln sei die logische Folge.

Richenhagen war lange der einzige deutsche Vorstandsvorsitzende eines US-Fortune 500 Unternehmens, AGCO verkauft Traktoren, Mähdrescher und andere Landmaschinen in inzwischen 140 Ländern. Die grossen Wachstumsmärkte für seine Industrie seien Russland, die Ukraine und China. "Ich glaube auch Afrika, aber da bin ich im Moment noch der Einzige, der das glaubt“, sagt Richenhagen. Die Bevölkerung dort werde sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln, und es gelte, eine langfristige, nachhaltige Ernährung sicher zu stellen.

Neue Unruhen in armen Staaten?

Der weltweite Rohstoffverbrauch könnte sich laut Angaben der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 verdreifachen. In den entwickelten Wirtschaftsnationen spüren die Konsumenten noch kaum etwas von Preisexplosionen. Aber ein starker Preisanstieg lässt Mais für verarmte Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern unerreichbar werden.

Farmer Wayne Brinkmeyer pflügt mit seinem Traktor seine Maisfelder in Nebraska, USA. (Foto: Miriam Braun)
Tornados und Trockenheit machen die Aussaat schwerBild: Miriam Braun

In Mexiko beispielsweise, wo Mais die Grundlage für den Teig der Tortillas bildet, hat die Regierung vor wenigen Monaten ein Programm für eine verstärkte Aussaat verabschiedet. Hier erinnert man sich an 2007, als nach der letzten Preisexplosion für Mais die Menschen auf die Strasse gingen. "Wir haben bereits in gewissen Ländern der Welt eine Ernährungskrise oder Lebensmittelkrise", sagt auch Richenhagen. Er glaubt, dass Lebensmittel von hoher Qualität langfristig teurer werden. "Aber die Landwirte weltweit sind dazu in der Lage, diese steigende Nachfrage auch zu bedienen", gibt sich Richenhagen zuversichtlich.

Chinesen investieren in afrikanische Äcker

Für Unternehmen wie AGCO, die Industrieprodukte für diesen boomenden Markt verkaufen, nicht unbedingt eine schlechte Entwicklung. Besonders in Indien und China wächst mit steigender Bevölkerung die Nachfrage nach Getreide. Dort beginne man inzwischen, in Ackerland in Afrika zu investieren. Martin Richenhagen spricht von einer "Globalisierung bei landwirtschaftlichen Flächen". Europäische Landwirte investieren in Polen in der Ukraine, teilweise auch in Russland, überall dort, wo das rechtlich auch möglich sei.

"In Afrika ist das schwieriger, weil die Afrikaner sich natürlich mit Schrecken an die Kolonialzeiten erinnern", sagt Richenhagen. Doch es sei längst ein globales Geschäft, Chinesen investierten außerhalb von China, beispielsweise in Afrika, weil sie ihre große und wachsende Bevölkerung vernünftig ernähren müssen.

Preisschwankungen können Erzeuger ruinieren

Farmer Wayne Brinkmeyer aus Nebraska, dem Mais-Gürtel der USA (Foto: Miriam Braun)
Brinkmeyer: 16.000 Dollar für ein neues SiloBild: Miriam Braun

Gleichzeitig kämpfen die Bauern in den USA mit unberechenbarem Wetter: Überflutungen im Mississippi-Delta, Regenfällle und viel Hagel in Ohio, bei gleichzeitiger Trockenheit in Texas, Oklahoma und Kansas. Die Preise schwanken stark. "Früher war ein monatlicher Preisanstieg von 25 Cent eine riesige Steigerung. Heute kann das eine Tagesschwankung sein", erinnert sich Farmer Wayne Brinkmeyer.

Finanzprofis sprechen von hoher Volatilität, Spekulanten von idealen Bedingungen. Schlecht für Kleinbauern, die nicht wie Wayne Brinkmeyer die Möglichkeit haben, Speicher für Vorräte zu bauen - ihnen bleibt keine Planungssicherheit. Wenn der Preis zur Erntezeit schlecht ist, müssen sie ihr Getreide verkaufen – bei gleichbleibend hohen Preisen für Land und Saatgut. "Die Kosten für die Produktion bleiben hoch, aber Getreidepreise variieren stark", sagt Brinkmeyer. "Ein Jahr mit schlechten Rohstoffpreisen und hohen Kosten für Land und Saatgut kann einem das Genick brechen." Er hofft, in den Silos auf seiner Farm in Nebraska genug lagern zu können, bis die Preise wieder steigen.

Autorin: Miriam Braun
Redaktion: Rolf Wenkel