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Wo steht das DFB-Team nach der USA-Reise?

18. Oktober 2023

Die ersten Spiele der Fußball-Nationalmannschaft unter Julian Nagelsmann liefern bereits Erkenntnisse für die Heim-EM. Der Bundestrainer setzt auf Pärchenbildung - dabei gibt es auch unerwartete Verlierer.

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Bundestrainer Julian Nagelsmann beobachtet vor der Bank
Auftakt geglückt: Die ersten Partien unter Julian Nagelsmann liefern positive Eindrücke und machen HoffnungBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Wie fällt die Bilanz der USA-Reise aus?

Der avisierte Neubeginn beim kriselnden DFB-Team ist nach der Trennung von Hansi Flick geglückt. Unter dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann gab es mit dem 3:1 gegen die USA und dem 2:2 gegen Mexiko zwei zufriedenstellende Ergebnisse. Zudem lieferten die Partien einige Erkenntnisse, die die Verantwortlichen wieder hoffnungsvoller in Richtung Heim-EM blicken lassen. "Die Qualität ist da", stellte DFB-Sportdirektor Rudi Völler fest. "Ich habe noch keine Mannschaft trainiert, die innerhalb einer Woche so viele Dinge umsetzt", lobte Nagelsmann sein Team vor dem Heimflug nach Deutschland. "Ich war schwer begeistert."

Was läuft unter Nagelsmann anders?

Der neue Bundestrainer hat seiner Mannschaft eine klare Struktur gegeben und erfolgreich auf Pärchenbildung gesetzt. Antonio Rüdiger mit Mats Hummels bzw. Jonathan Tah in der Abwehr, Ilkay Gündogan neben Pascal Groß im defensiven Mittelfeld, Florian Wirtz und Jamal Musiala hinter den beiden Spitzen Niclas Füllkrug und Leroy Sané. Statt die Mannschaft mit zu vielen taktischen Vorgaben zu überfordern, hält es der Trainer einfach: Die Spieler sollen schnell spielen, den direkten Weg nach vorne suchen und auf ihre individuellen Stärken vertrauen.

Florian Wirtz, Jamal Musiala und Niclas Füllkrug gehen in Trainingsanzügen durch den Spielertunnel im Stadion von Philadelphia
Drei, die positive Eindrücke hinterließen: Florian Wirtz, Jamal Musiala und Niclas Füllkrug (v.l.n.r.)Bild: Markus Gilliar/GES/picture alliance

Das scheint zu fruchten: Insgesamt wirkt es so, als seien alle DFB-Akteure wieder mehr von sich und ihren Qualitäten überzeugt. Beispiele: Sané, Musiala und Wirtz setzten immer wieder zu gefährlichen Dribblings an. Gündogan und Groß, aber auch die Abwehrreihe dahinter, brachten die Offensivspieler oft mit guten Vertikalpässen in aussichtsreiche Positionen. Auch nach Ballverlusten wirkte die Mannschaft mit einigen Ausnahmen wach und schaffte es meistens, den Ball schnell und schon in der gegnerischen Hälfte wieder zurückzuerobern.

Wo sind noch Baustellen?

Nach wie vor sorgte die Defensive manches Mal für Sorgenfalten. Zum einen leisteten sich die deutschen Abwehrspieler inklusive Torhüter Marc-André Ter Stegen einige Fehlpässe im Aufbau, die zu brenzligen Situationen führten. Zudem rissen die Gegner oft Lücken, wenn sie schnell nach vorne spielten. So waren die US-Amerikaner immer wieder mit Tempoläufen über die Flügel gefährlich. Gegen Mexiko führte ein langer Ball, den Rüdiger im Zurücklaufen nur ungenügend klärte, zum 1:1-Ausgleich für die Mexikaner.

Ein Dauerthema bleiben die Außenpositionen in der Abwehr: Weder Tah, Niklas Süle und Malick Thiaw (rechts) noch Robin Gosens und David Raum (links) empfahlen sich als verlässliche EM-Lösungen. Links fehlte mit dem Leipziger Benjamin Henrichs der eigentliche Stammverteidiger verletzt. Für rechts gibt einen solchen bisher nicht. Allerdings drängt sich Joshua Kimmich als Alternative auf, da das defensive Mittelfeld auch ohne ihn bestens funktioniert.

Wer sind die Gewinner der beiden Spiele?

Neben den bereits genannten Offensivspielern sowie dem zentralen Duo Gündogan/Groß, darf sich Mats Hummels als Gewinner fühlen. Der 34-Jährige war mehr als zwei Jahre nicht im Nationalteam dabei. Bei seiner Rückkehr bildete er mit Antonio Rüdiger gegen die USA auf Anhieb ein stabiles Duo in der Innenverteidigung. "Deswegen ist er dabei, weil er eine große Erfahrung hat, die Spieler zu führen", sagte Völler.

Spielszene Mats Hummel im Länderspiel gegen die USA
Fehlende Schnelligkeit gleicht Mats Hummels durch gutes Stellungsspiel und Erfahrung ausBild: Markus Gilliar/GES/picture alliance

Zudem hat sich Niclas Füllkrug, der bei der Fußball-WM in Katar noch die Jokerrolle innehatte, so gut wie unersetzbar gemacht. Seine Torquote von neun Treffern in elf Spielen für das DFB-Team spricht für sich. Zudem ist national derzeit keine Konkurrenz in Sicht. DFB-Neuling Kevin Behrens muss sich erst auf höchstem Niveau beweisen, die Alternativen Thomas Müller und Kai Havertz sind andere Spielertypen und keine klassischen Neuner.

Wer muss sich erstmal hinten anstellen?

Leon Goretzka ist hinter Gündogan, Groß und dem zuletzt verletzt fehlenden Kimmich nur noch die Nummer vier im defensiven Mittelfeld. Zudem hat er mit Leverkusens Robert Andrich, den Nagelsmann für die USA-Reise erstmals nominierte, kampfstarke Konkurrenz bekommen. Für den Bayern-Spieler wird es daher schwer werden, sich bis zur EURO einen Stammplatz zu erkämpfen.

Auch Kai Havertz, der seit seinem Wechsel zum FC Arsenal nur selten überzeugende Leistungen zeigt und meist nur von der Bank kommt, ist bei Nagelsmann weit von der Startelf entfernt. Er spielte nur gegen die USA eine (unauffällige) halbe Stunde und wurde gegen Mexiko gar nicht berücksichtigt.

Wo ist Platz für Joshua Kimmich?

Der Profi des FC Bayern ist ein besonderer Fall: Er war bislang im defensiven Mittelfeld gesetzt, fehlte aber bei den beiden Partien der USA-Reise und auch zuvor schon beim Länderspiel gegen Frankreich. Man könnte daher boshaft formulieren: Seit er nicht mehr dabei ist, läuft es besser. Allerdings wäre es falsch, die vorherige Misere nur an Kimmich festzumachen. Augenfällig ist aber, dass das DFB-Team auch ohne Kimmich als Dreh- und Angelpunkt gut funktioniert. Bleibt er also außen vor?

Nationalspieler Joshua Kimmich schaut ratlos und klatscht in die Hände
Was wird aus Joshua Kimmich? Im defensiven Mittelfeld scheint der Bundestrainer ein stabiles Duo gefunden zu habenBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

"Wenn Josh besser ist als andere, ist er gesetzt", verwies Nagelsmann auf das Leistungsprinzip, das bei ihm herrschen soll. Ob das notwendigerweise auf Kimmichs zentraler Lieblingsposition der Fall sein wird, ist dahingestellt. Im Notfall könnte Kimmich nämlich auch auf die von ihm ungeliebte Position des rechten Außenverteidigers ausweichen - und wäre dort wahrscheinlich besser als jeder, der Nagelsmann als Alternative zur Verfügung steht.

Wie geht es weiter?

Im November stehen zu Hause gegen die Türkei (18.11.) und in Österreich (21.11.) die letzten Länderspiele des Jahres an. Nagelsmann kann dann mit Spielern wie Kimmich, Henrichs oder Serge Gnabry, die derzeit noch verletzt sind, weitere EM-Kandidaten testen. Außerdem wird es darum gehen, die Achse von Stammspielern, die sich bereits herauskristallisiert, besser einzuspielen und Abläufe zu manifestieren.

"Ich freue mich schon auf den November", sagte Nagelsmann nach seinem gelungenen Start und hatte bereits die EM im kommenden Juni im Blick: "Bis zum Turnier müssen die Dinge alle sitzen - und bis dahin werden sie alle sitzen", kündigte er an. "Ich weiß, dass wir erfolgreich sein werden."