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Freunde? Freunde!

3. Januar 2010

"Willst du meine Freundin werden? Dann kreuze an: Ja, Nein, Vielleicht." Das stand früher auf kleinen Zetteln. Technisch haben wir uns heute weiterentwickelt. Sozial eher weniger. Eine unvollständige Facebook-Typologie.

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Facebook-Logo

Jeder, der sich bei Facebook anmeldet, ist ein Selbstdarsteller. Der eine mehr, der andere weniger. Wer ein Profil erstellen möchte, braucht eigentlich nur einen Namen und eine Email-Adresse. Der Name muss nicht echt sein, die Email-Adresse kann eine kryptische Zusammenstellung aus Buchstaben sein. Und trotzdem gibt es einige Mitglieder, die wollen alles ganz richtig machen. Nennen wir sie die "150-Prozentigen". Sie geben nicht nur ihren echten Namen an, sie füllen brav alle Felder aus, die es bei Facebook so auszufüllen gibt. Angefangen beim Geburtsdatum, Wohnort, Arbeitgeber, Telefonnummer, politischen Ansichten bis hin zu einer Persönlichkeitsbeschreibung, Lieblingsfarbe und Art des Humors. Er teilt uns nicht nur seine Ferienerlebnisse mit und zeigt uns seine Urlaubsbilder, wir wissen auch, an wem oder an was er interessiert ist (Männer/Frauen), wie sein aktueller Skype-Name lautet, welche Webseiten er toll findet, auf welchem Konzert er zuletzt war und welchen Gruppen er angehört (zum Beispiel: "I think that some people I am facebook friends with are idiots").

Facebook Nutzer vor dem Bildschirm (Foto: AP)
"Entschuldigung Mama, ich musste es tun."Bild: AP

Der Schweiger

Das ganze Prinzip Facebook basiert auf Partizipation. Einige verstehen das nicht. Sie haben ein Profil, aber kein Foto. Sie haben Freunde, aber sie teilen ihnen nichts mit. Sie sind schweigende Beobachter, die nichts verpassen, aber auch nichts beitragen wollen. Entweder sie haben Angst, etwas zu verpassen. Oder es ist wie früher auf dem Schulhof. Sie können nicht mithalten, sie haben keine Witze zu erzählen. Sie sind unsicher und introvertiert. Bei den vielen Peinlichkeiten, die oft auf der Pinnwand landen, mag das manchmal auch die beste Wahl sein.

Der alte Klassenkamerad

"Betreff: lang, lang ist es her." Diese Nachricht kommt von den Menschen, die man längst aus den Augen verloren hat. Meistens sind es alte Klassenkameraden. Mal gucken, was aus dem anderen geworden ist. Ein oder zwei Nachrichten wechseln den Server, dann vergisst man sich wieder. Typ alter Klassenkamerad ist jener unverbindliche Freund, aus dessen Leben man immer wieder Nachrichten liest, wie: "Freut sich auf's Wohnung einrichten". Beim Klassentreffen hätte man wahrscheinlich nicht einmal ein Wort miteinander gewechselt.

Mark Zuckerberg vor Facebook-Logo (Foto: facebook.com)
Welcher Typ ist Facebook-Gründer Mark Zuckerberg? Vermutlich Typ ChefBild: AP

Der Ex-Freund/Die Ex-Freundin

Früher hat man sie gegoogelt, heute spioniert man ihnen auf Facebook hinterher. Typ Ex-Partner gehört zu den unangenehmeren Bekanntschaften. Wir erfahren, wo er seinen letzten Urlaub verbracht hat, in welche Stadt er gezogen ist, welche Partys er besucht und der "Beziehungsstatus" (dafür gibt es ein extra Symbol, das rote Herz) verrät, ob er oder sie schon wieder vergeben ist. Der Ex-Partner erscheint auf Fotos von Freunden aus dem virtuellen Kreis und ist irgendwie immer noch da, obwohl er weg sein sollte. Das einzige was hilft: ihn aus der Freundesliste entfernen. Und mit ihm seine ganzen Freunde.

Die Eltern

Eigentlich wissen sie nicht, was Facebook ist. Oder sie wollen nicht wissen, worum es dabei geht. Sie finden es skandalös, was die Kinder da so alles ins Netz stellen und damit ihre Privatsphäre preisgeben. Das hätte es damals nicht gegeben, in den Achtzigern, als man noch auf die Straße ging, um gegen die Überwachung des Staates (es ging um die Volkszählung) zu demonstrieren, für den Datenschutz. Heute liefert Facebook die volle Anschrift, Telefonnummer, E-Mail inklusive Party-Fotos einer Person. Dieser freizügige Umgang mit Daten ist Eltern suspekt. Deshalb haben sie auch kein Facebook-Profil.

Oder aber sie melden sich an, um zu sehen, was passiert. Meistens ohne Profilbild – entweder, sie haben vor der Technik kapituliert oder sie finden, das diene nur der Selbstdarstellung – und wollen mit ihren Kindern befreundet sein. Ihre Kinder gründen daraufhin Gruppen wie "Get parents off facebook" (momentan 241 Mitglieder). In diesem Forum posten sie wild herum, dass ihre Eltern den eigentlichen Sinn von Facebook nicht verstehen. Eine Tochter schrieb, nachdem sie sich der Gruppe angeschlossen hatte, lapidar an ihre Mutter: "Sorry mum, it had to be done".

Der Web-Forscher Andreas Weigend (links) und Jeff Hammerbacher von Facebook (Foto: DW)
Der Web-Forscher Andreas Weigend (links) und Jeff Hammerbacher von FacebookBild: DW/Christina Bergmann

Der Chef

Der einzige professionelle Nutzer von Facebook ist Typ Chef. Gerne macht er sein soziales Netzwerk zur inoffiziellen Geschäftsplattform. Vielleicht hat ihm das jemand auf einem Führungskräfte-Workshop erzählt, mit der Anmerkung, dass sich hier in Zukunft alles abspielen würde. So fügt er fröhlich alle Kollegen – egal, ob sie in der Hierarchie unter (bevorzugt: Kontrolle) oder über ihm stehen (schwierig: kontrolliert werden). Typ Chef postet nichts Privates, stellt außer dem Profilbild - das meistens betont leger ausfällt - keine weiteren Bilder ins Netz und lässt uns wissen, was es in der Firma so an Neuigkeiten gibt. Typ Chef ist auch bei Facebook ein Geschäftsmann, er wittert die Möglichkeit, Geld zu machen und seine Mitarbeiter auch in ihrer Freizeit an die Arbeit zu erinnern.

Eine wütende Mitarbeiterin schrieb einmal während der Arbeitszeit in ihren Status: "OMG, I hate my job! My boss is a total pervvy wanker always making me do shit stuff just to piss me off! WANKER!" Die Antwort kam prompt: "Du hast wohl vergessen, dass du mich als Freund bestätigt hast. Das war dein letzter Arbeitstag." Alles natürlich öffentlich auf Facebook zu lesen.

Facebook-Nutzer (Foto: AP)
Zeigst du mir was, zeig ich dir wasBild: AP

Das Familienmitglied

Wir könnten einfach anrufen und fragen, wie's so geht. Aber eigentlich wissen wir es längst, wann die Cousine in den Urlaub fliegt (täglicher Status-update mit dem Herunterzählen der Tage), dass der Cousin ein neues Auto gekauft hat (Bild auf der Pinnwand) und wie die Abi-Feier des kleinen Bruders war (Namensmarkierung im hochgeladenen Fotoalbum einer Freundin). Wir bleiben in Kontakt, ohne in Kontakt zu bleiben.

Die echten Freunde

Typ "echter Freund" ist der, den man schon lange kennt. Wenn eine Freundschaft langjährig gewachsen ist und sich weiter hält, ist Facebook eigentlich überflüssig. Trotzdem fügt man die besten Freunde wie selbstverständlich hinzu. Was man erfährt, sind Banalitäten und Oberflächlichkeiten, die man beim nächsten Telefonat wieder vergessen hat, oder man sagt nur: "Hast du auf Facebook geschrieben".

Autorin: Elena Singer
Redaktion: Sabine Oelze