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Zentral-Fernsehen bald auch in der Provinz?

Stephan Hille, Moskau8. März 2005

Schwere Zeiten für unabhängige Medien in Russland: Der Kreml will nun auch in den Regionen das Informationsmonopol durchsetzen. Michail Gorbatschow ist deswegen schon die Lust aufs russische Fernsehen vergangen.

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Stephan Hille

Als Michail Gorbatschow vor genau zwanzig Jahren – im März 1985 – die Macht im Kreml antrat, waren "Glasnost" (Offenheit) und "Perestroika" (Umbau) die Leitlinien seines neuen Reformkurses. "Glasnost" bedeutete zwar noch nicht Pressefreiheit, doch unter Gorbatschows neuer Politik konnten Dissidenten und Kritiker in den Medien ein Podium für ihre Meinung finden.

Drohende Gleichschaltung

Mit dem Ende der Sowjetunion fiel endgültig die staatliche Zensur. Unter Boris Jelzin verschrieb sich Russland das liberalste Pressegesetz in der russischen Geschichte. Doch seit dem Machtantritt von Wladimir Putin vor fünf Jahren hat der Kreml die Medien wieder stärker an die Kandare genommen. Inzwischen sind sämtliche landesweit ausstrahlende Fernsehstationen wieder unter staatliche Kontrolle gebracht. Nun droht auch den lokalen Fernsehsendern und Radiostationen die Gleichschaltung.

Infolge der zunehmenden Zentralisierung durch die "Staatliche Russische Fernseh- und Radiogesellschaft" (VGTRK), der Dachgesellschaft für alle staatlichen Lokalsender, könnten schon bald einige Tausend Journalisten ihren Job verlieren, warnt die russische Journalistengewerkschaft. "In der nächsten Zeit könnten bis zu 20.000 Journalisten auf der Straße stehen", fürchtet Gewerkschaftschef Igor Jakowenko.

Grundlose Budgetkürzung

Bereits seit längerem hält die Dachgesellschaft VGTRK die lokalen Sender in den Regionen finanziell an einer immer kürzeren Leine. So seien den staatlichen Fernseh- und Radiostationen vor einem halben Jahr die Budgets ohne Grund um 20 Prozent gekürzt worden. Da die VGTRK ihre lokalen Ableger finanziell "austrocknet", müssen laut Journalistengewerkschaft immer mehr lokal produzierte Nachrichten und Informationssendungen aus dem Programm genommen werden. Stattdessen werden die Zuschauer und Hörer mit mehr Unterhaltungsshows und in Moskau produzierten Nachrichten abgespeist. "Diese Zentralisierung ist nur ein weiterer Teil des anti-demokratischen und autoritären Kurses des Kreml", klagt Gewerkschaftschef Jakowenko.

Kritik an der Regierung und an Präsident Putin trauen sich in Russland nur noch wenige Zeitungen. Doch deren Auflage reicht kaum über die Grenzen des Moskauer Stadtgebietes. Das Fernsehen ist daher für die meisten Russen die einzige und wichtigste Informationsquelle. Dass der Kreml nun auch die Kontrolle über die lokalen Fernsehkanäle errichten will hat einen einfachen Grund, glaubt Oleg Panfilow, vom "Moskauer Zentrum für Journalismus in Extremsituationen": "Alles was noch nicht direkt vom Kreml kontrolliert werden kann, weckt das Misstrauen in der Präsidialabteilung."

Fernseher bleibt aus

Seit seinem Machtantritt vor fünf Jahren hat Präsident Putin alle Gegengewichte zur Macht im Kreml ausgeschaltet: Von den Gouverneuren über die Duma bis zu den einst unabhängigen Medien. Erstmals hat sich nun der sowjetische Ex-Präsident Michail Gorbatschow über die staatliche Kontrolle im Fernsehen beklagt: "Heute macht es leider gar keinen Sinn mehr, den Fernseher einzuschalten".