Zwischen Polizeiwillkür und Korruption
11. März 2009Es war ein Hoffnungsschimmer: Nach den umstrittenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kenia im Dezember 2007 einigten sich vor gut einem Jahr der amtierende Präsident Kibaki und sein Herausforderer Odinga auf die Bildung einer Einheitsregierung. Dem vorausgegangen waren wochenlange Gewaltorgien von Anhängern beider Parteien. Mehr als 1300 Menschen starben, 300000 wurden vertrieben. Kenia stand am Rande eines Bürgerkrieges. Zwar ist diese Gefahr erst einmal abgewehrt, doch Gewalt gehört immer noch zum Alltag in Kenia. Da jüngste Beispiel: Der Mord an zwei Menschenrechtlern in Nairobi.
Illegale Hinrichtungen
Nairobi, vor wenigen Tagen: Vier Fahrzeuge drängen das Auto des Menschenrechts-Aktivisten Oscar Kamau Kuria von der Straße. Schüsse fallen, Kuria und sein Kollege Paul Oulo sterben. Die Polizei spricht von einem Raubüberfall, viele Kenianer von einem Attentat. Denn Kuria gehörte zu den Informanten von Philip Alstrom, dem Sonderermittler der Vereinten Nationen. Erst vor wenigen Wochen legte Alstrom einen Bericht über illegale Hinrichtungen durch die Polizei vor - mit einem vernichtenden Urteil. "Mir liegt eine große Menge Zeugenaussagen vor, aus denen hervor geht, dass in Kenia eine systematische, weit verbreitete und präzise geplante Strategie existiert, Indiviuen von der Polizei exekutieren zu lassen."
Angst vor neuer Gewalt
Mehr als 500 Menschen soll die Polizei so erschossen haben – überwiegend Anhänger der militanten Mungiki-Sekte. Nach eigenen Angaben kämpfen die Mungiki-Anhänger für eine Rückkehr zur traditionellen afrikanischen Kultur. Die Sekte wird jedoch verdächtigt, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Anfang Februar starb ein freier Journalist, der über die Polizei-Brutalität recherchiert hatte. Ein kenianischer Polizist, der öffentlich zugab, Kollegen bei illegalen Hinrichtungen beobachtet zu haben, ist seit Wochen verschwunden. Doch nicht nur wegen der mysteriösen Morde glaubt Alstrom, dass Kenia wie nach den letzten Wahlen wieder explodieren könnte. Das Land müsse ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufschlagen und das würde nur gelingen, wenn die Verantwortlichen für die schweren Verbrechen bestraft würden.
Reformen blockiert
Doch in der näheren Zukunft wird niemand vor Gericht stehen: Kenias Parlamentarier ließen das Gesetz zur Einrichtung eines Sondergerichts zur Klärung der Unruhen von 2007 mit großer Mehrheit durchfallen. Und das, obwohl Zeitungen schon Listen der mutmaßlichen Täter druckten. Prominente Politiker, Geschäftsleute, Kirchenführer sollen nach den letzten Wahlen ihre Anhänger sogar mit Waffen versorgt haben. Vor einem Gericht verantworten musste sich bislang niemand. Die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission lässt ebenso auf sich warten wie die Wiederansiedlung von Vertriebenen in ihren angestammten Wohngebieten.
Dringend nötige Reformen im Staat werden blockiert. Die Folge: Massive Korruption. Der Energieminister hat sein Amt behalten, obwohl aus den Lagern der staatlichen Ölfirma Benzin im Wert von 96 Millionen Dollar verschwunden ist. Und der Finanzminister trat auf Druck des Parlamentes erst zurück und bekam dann einen neuen Kabinettsposten - obwohl er ein staatseigenes Luxushotel unter Wert verkaufte und dabei angeblich mitkassierte. Doch während sich zahlreiche Politiker selbst bereichern, leiden die Kenianer - rund ein Drittel der Bevölkerung hungert. Viele Menschen hoffen auf eine neue Generation von Politikern, die sich endlich um die Probleme im Land und nicht nur um ihre eigene Bereicherung kümmert - doch solche Politiker sind in Kenia zumindest im Moment nicht in Sicht.
Daniel Pelz
Redaktion: Katrin Ogunsade