Zwischen West und Ost
16. Mai 2014Kommenden Montag (19.05.2014) kommt Irans Präsident Hassan Rohani zu einem wichtigen Treffen nach Shanghai. Bei der Conference on Interaction and Confidence Building Measures in Asia (CICA) werden er und 24 andere Spitzenpolitiker aus Asien und Afrika zwei Tage lang über Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Welt sprechen. Gäste aus London, Berlin und Washington sind dabei nur als Beobachter erwünscht. Nun sitzt der Westen mal am Katzentisch. Damit ist es für Rohani eines der seltenen multilateralen Treffen, bei dem der Iran, die Führungsmacht zwischen China und dem Golf, eigene Vorstellungen einbringen kann. Zwar hat sich die Lage zwischen seinem Land und den westlichen Nationen seit dem neuen Genfer Abkommen über Irans Atomprogramm entspannt. Dennoch behandeln westliche Politiker den Iran weiterhin wie ein ungezogenes Kind. Keine gute Ausgangsposition für nachhaltige Kompromisse. Also Kompromisse, von denen beide Seiten überzeugt sind.
In Asien ist das anders: Besonders zu China hat der Iran traditionell einen guten Draht. Sanktionen sind für Peking kein adäquates Machtmittel. Wandel durch Annäherung ist vielmehr ihr Motto: Je größer die Differenzen, desto mehr muss man miteinander reden. Im April war Verteidigungsminister Hossein Dehqan in Peking. Anfang Mai Finanz- und Wirtschaftsminister Ali Tayyeb-Nia. Die enge wirtschaftliche Kooperation mit dem Iran dient eben nicht nur dazu, Chinas Öl- und Gasversorgung um jeden Preis sicherzustellen. Peking hält sie auch für das beste Mittel gegen religiöse und ideologische Engstirnigkeit. Peking ist nämlich anders als die iranischen Mullahs, zutiefst davon überzeugt, dass Religion in der Politik nichts zu suchen hat. Dennoch behandelt Peking Teheran nicht von oben herab. Der Iran ist "strategischer Partner".
Dass die chinesisch-iranische Partnerschaft eine lange Tradition hat macht die Zusammenarbeit einfacher. Schon vor 2000 Jahren haben beide Länder über die Seidenstraße Handel betrieben, Waren und Wissen ausgetauscht. Damals waren das Persische und das Chinesische Reich die Dynastien ihrer Region. Respekt prägte trotz aller unterschiedlichen Vorstellungen das Verhältnis. Das ist heute nicht anders.
Angesichts der Isolationspolitik des Westens ist China wichtiger denn je. Als wichtigster Handelspartner bauen die Chinesen im Tausch gegen Öl iranische Infrastruktur auf, liefern neue Züge im Tausch gegen Erdgas. Erst kürzlich wurden 15 neue Projekte im iranischen Energiesektor in die Wege geleitet, für insgesamt drei Milliarden Dollar. Da kann man dann auch mal in globalpolitischen Fragen um ein Entgegenkommen bitten.
China alleine kann den Iran jedoch nicht wirtschaftlich über Wasser halten. Das einst wirtschaftlich blühende Land steht am Rande des wirtschaftlichen Kollapses. Washington hat den iranischen Außenhandel fast komplett lahmgelegt. Jeder Nation, die ihren Handel mit dem Iran nicht ebenfalls einschränkte, drohten die Amerikaner mit Sanktionen. Selbst Unternehmen, die sich nicht an die amerikanischen Spielregeln halten, müssen, das machte Washington in Hausbesuchen deutlich, Nachteile im amerikanischen Markt hinnehmen. Das FBI hat, wie kürzlich bekannt wurde, wegen angeblicher Waffenlieferungen sogar ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf einen chinesischen Geschäftsmann ausgesetzt hat. Für Peking eine unverschämte Eimischung in die bilateralen Beziehungen.
Doch auch Peking kooperiert nicht bedingungslos mit dem Iran. Um iranische Politiker zur Einsicht zu bringen, zögerte der chinesische Ölkonzern CNPC die Bohrungen in einem der weltweit größten Ölvorkommen, den Asadegan-Feldern im Westen Irans, hinaus. Aber das ist dann eben Druck im Rahmen einer Freundschaft und nicht einer Feindschaft. Kurz bevor nun Präsident Rohani nach China reist, bekräftigten vergangene Woche bereits die Verteidigungsminister beider Länder, die militärische Kooperation weiter auszubauen. Der Iran ist ein Beispiel dafür, dass die Politik des Westens nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Russland inzwischen auch. Der größte Nachteil der politischen Beugehaft: Sie zwingt, aber überzeugt nicht und funktioniert nur, wenn alle mitmachen. China zum Beispiel will aber nicht und muss auch nicht mehr. Dass es sinnvolle Alternativen zur westlichen Politik gibt, sieht inzwischen wohl auch der Südkoreaner Ban Ki-Moon. Der UN-Generalsekretär nimmt am CICA-Treffen in Shanghai am kommenden Dienstag teil.
Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.