Ex-Diktator verurteilt
21. April 2010"Heute ist ein guter Tag für alle Argentinier", sagte Estela de Carlotto von der Menschenrechtsorganisation "Großmütter der Plaza de Mayo", nach dem Urteil am Dienstag (20.04.2010). Zuvor hatte ein Bundesgericht Reynaldo Bignone für eine Reihe von Verbrechen für schuldig befunden.
Er gehörte in den 70er Jahren zu den Chefs des berüchtigten Militärstützpunkts Campo de Mayo, das während der argentinischen Diktatur (1976-1983) eines der größten Folterzentren des Landes gewesen war. 4000 Regimegegner wurden dort eingeliefert, nur 50 verließen es lebend, berichten Menschenrechtsgruppen.
Jubel nach der Verkündung des Urteils
Außer dem 82-Jährigen wurden fünf ehemalige Militärs ebenfalls zu hohen Haftstrafen verurteilt. Dutzende Menschen jubelten, nachdem ein Richter das Urteil verkündet hatte. Sie hielten Bilder von Angehörigen hoch, die der Diktatur zum Opfer gefallen waren.
Bignone war im Juli 1982 an die Macht der Junta gekommen. Sie brachte nach Schätzungen etwa 30.000 Menschen um. Viele gelten als vermisst. Bignone bestreitet die Angaben, es seien höchstens 8000 verschwunden. Die Zahl verschleppter Babys gab er mit 30 an - nach Schätzungen der Justiz waren es jedoch mehr als 500 Kinder, die von regimetreuen Familien aufgenommen worden waren. Bis heute haben nur etwa hundert von ihnen ihre wahre Herkunft herausgefunden.
Haft im Gefängnis statt Hausarrest
Die Richter ordneten an, dass Bignone und die verurteilten Ex-Militärs ihre Strafe in einem normalen Gefängnis verbüßen müssen. Dies entspricht einer zentralen Forderung von Menschenrechtsgruppen, die Hausarrest für unzureichend halten. "Das ist das, was wir wollten: Gefängnis", sagte Ella Espen, die ihren Sohn unter der Diktatur verloren hat. Wegen Bignones Gesundheitszustand haben dessen Anwälte jedoch eine Beschwerde angekündigt.
Der frühere General erklärte, er wolle lieber verurteilt als von seinen Vorgesetzten und Untergebenen verstoßen zu werden, "die mit mir den Horror dieses Kriegs gegen den Terror durchgekämpft haben". Er hatte bis zuletzt das Gericht nicht anerkannt.
Über 400 weitere Angeklagte in Untersuchungshaft
"Wir sind sehr zufrieden, aber noch ist viel zu tun", sagte Estela de Carlotto. Über 400 Beschuldigte befinden sich gegenwärtig in Untersuchungshaft. 85 Angeklagte wurden mittlerweile zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, acht wurden freigesprochen. Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen hat Argentiniens Oberster Gerichtshof möglich gemacht, als er 2005 zwei Amnestiegesetze kippte. Sie hatten hunderte Ex-Offiziere vor der Strafverfolgung geschützt.
Reynaldo Benito Bignone hatte den Chefposten der Junta im Juni 1982 übernommen, nachdem sein Vorgänger Leopoldo Galtieri wegen der Niederlage im Falkland-Krieg gegen Großbritannien zurückgetreten war. 1983 gab er die Macht an den frei gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín ab und das südamerikanische Land kehrte zur Demokratie zurück.
Autor: Julian Mertens (epd, dpa, rtr, afp)
Redaktion: Annamaria Sigrist