Der Schatten des Kosovo-Kriegs reicht bis nach Den Haag
10. Juli 2006Sechs ehemals führende serbische Politiker müssen sich seit diesem Montag (10.7.2006) für Kriegsverbrechen an der albanischen Bevölkerungsmehrheit der damals jugoslawischen Provinz verantworten. Prominentester Angeklagter ist Milan Milutinovic, der bis Ende 2002 Präsident von Serbien war. Er war in diesem Amt Nachfolger von Slobodan Milosevic, der ebenfalls vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagt war, aber im März noch vor einem Urteil starb.
Mord, Deportation und weitere Verbrechen
Der enge Vertraute Milosevics war 1998 gewählt worden. Ende 2002 war er zurückgetreten und hatte sich Anfang 2003 freiwillig nach Den Haag begeben. Den freiwilligen Weg vor das Kriegsverbrecher-Tribunal hatten zuvor auch seine zwei Mitangeklagten gewählt: der ehemalige Generalstabschef Dragoljub Ojdanic und der einstige jugoslawische Vize-Ministerpräsident Nikola Sainovic.
Milutinovics erster Auftritt in Den Haag war unspektakulär - und dauerte nur neun Minuten. Der vorsitzende Richter Richard May verlas die Anklage-Punkte: "Punkt eins der Anklage wirft Ihnen Deportation vor, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, strafbar nach Artikel 5 D des Statuts des Tribunals."
Ausgang offen
Die weiteren Punkte lauteten: Zwangsumsiedlung und Verfolgung von mehreren hunderttausend Kosovaren sowie Mord und Kriegsverbrechen vor und während der Kosovo-Kriegs. Verbrechen, für die Milutinovic als serbischer Präsident und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats mit verantwortlich sein soll. Nach jedem Punkt kam die Frage des Richters: "Erklären Sie sich für schuldig oder nicht schuldig?" "Nicht schuldig" - lautete jedes Mal Milutinovics Antwort.
Von April bis Anfang Juli wurden die drei Angeklagten in diesem Prozess auf freien Fuß gesetzt, da das Haager Tribunal keine Flucht-Gefahr sah. Den Vorsitz beim eigentlichen Prozess, der am Montag (10.7.) begann, hat Richter Ian Bonomy. Er beschloss am Freitag (7.7.), dass er den Prozess auf weniger Punkte beschränken wolle, als es die Anklage-Schrift vorsieht. Ausgeklammert werden soll unter anderem das "Massaker von Racak". Hier ist der Tat-Hergang noch immer umstritten, so dass zu befürchten ist, dass die Beweisführung äußerst schwierig werden könnte.