Die ganze Macht
17. Juni 2002Keine Überraschung beim Ergebnis der französischen Parlamentswahlen am Sonntag (17. Juni 2002): Das Mitte-Rechts-Bündnis UMP (Union pour la Majorité Présidentielle) erzielte die absolute Mehrheit der insgesamt 577 Sitze in der Nationalversammlung. Das Bündnis löst die Linksparteien als stärkste politische Kraft im Parlament ab.
Präsident Jacques Chirac hatte die UMP, die Union für die Mehrheit des Präsidenten, kurz nach den Präsidentschaftswahlen im Mai geschmiedet. Bis zum Herbst soll sie zu einer echten Partei werden. Ziel der UMP war es, Präsident Chirac mit einer eigenen Parlamentsmehrheit auszustatten.
Zwangsehe geschieden
Die "Cohabitation", eine Zwangsehe, wie er sie in den vergangenen fünf Jahren mit dem sozialistischen Ministerpräsidenten Lionel Jospin führen musste, bleibt ihm diesmal erspart. Chirac wird die ganze Macht in den Händen halten und gemeinsam mit dem rechts-liberalen Jean-Pierre Raffarin regieren.
Raffarin kam bislang bei den Franzosen sehr gut an - er tritt recht bescheiden auf, ist bodenständig und er weiß, was sein Volk gerne hört. So sagte er nach den Wahlen: "Wir haben die Botschaft der Franzosen verstanden. Wir werden dafür arbeiten, das Leben für die Franzosen einfacher und besser zu machen." Ganz oben auf der Agenda des neuen Premiers stehen die Kriminalitätsbekämpfung, die Senkung der Einkommenssteuer und eine Renten-Reform.
Große Verlierer der Wahlen sind die Linken. Sie haben die Mehrheit verloren. Trotzdem gab sich Sozialistenchef Francois Hollande überraschend optimistisch: "Die Sozialisten sind jetzt die stärkste Kraft in der Opposition mit mehr als 160 Sitzen. Ihr Herzenswunsch wird es sein, ihrem Land und ihren Bürgern zu dienen, immer die Werte der Republik vor Augen."
Kein Sitz für die Front National
Weiterer großer Verlierer der Wahlen ist die rechtsextreme Front National und ihr Chef Jean-Marie Le Pen. Zwar trat die Front National in über 30 Wahlkreisen mit einem eigenen Kandidaten an, doch wegen des Mehrheitwahlrechts schaffte es schließlich kein einziger, einen Sitz in der Nationalversammlung zu ergattern.
Eine Katastrophe für alle Parteien ist die Wahlbeteiligung. Denn sie war noch schlechter als bei der ersten Runde und lag gerade einmal bei 60,7 Prozent. Politiker gaben dem schönen Wetter und der Fußball-Weltmeisterschaft die Schuld dafür, dass die Wähler den Urnen fernblieben. Die niedrige Wahlbeteiligung gilt aber auch als Zeichen einer generellen Politikverdrossenheit der Franzosen.