Erfolgreiche Firmenchefin
26. Juli 2012Es begann 1987 in einer Garagenfirma in der norddeutschen Gemeinde Hude, zwischen Bremen und Oldenburg. In der eigenen Garage produzierten Vater und Sohn die für die Montage benötigte Fördertechnik. Schwiegertochter Helma Hartgen kümmerte sich um die Finanzen. "Das hat dann nach zwei Jahren nicht mehr gereicht, wir haben uns nach größeren Räumlichkeiten umgeschaut", erinnert sich die heute 51-Jährige.
Sie fanden eine alte Schmiede und bauten sie für Maschinen- und Mühlenbau um. Eines ihrer Hauptprodukte war und ist der Schneckenförderer, mit dem Schüttgüter - Getreide, Steine oder andere Stoffe - transportiert werden. Nichts wird in Massen angefertigt. Auf jeden speziellen Kundenwunsch wird eingegangen. "Dabei sagt der Kunde zuerst, welches Produkt er fördern möchte, zum Beispiel Mehl", erzählt Hartgen: "Dann sagt er, wie viel er ausgetragen haben möchte, dann müssen wir uns ausrechnen, wie schnell sich die Schnecke bewegen muss und wie groß die Schnecke zu sein hat."
Glück und Unglück folgen aufeinander
Alles lief gut in der Firma - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Auftragsbücher füllten sich und das Team wurde größer. Dann kam 1997 der erste Schicksalsschlag für Helma Hartgen: Ihr Mann verunglückte tödlich. Ihre Kinder waren fünf, zehn und zwölf Jahre alt. "Die Frage hat sich sicherlich gestellt: Mache ich jetzt so weiter oder verkaufe ich alles? Aber in der Firma steckt ja auch mein Herzblut", räumt Helma Hartgen ein. Und dann fiel die Entscheidung: "Wir machen weiter."
Sie holte sich Verstärkung und stellte Erwin Kneehans als technischen Leiter ein. Das Familienunternehmen wuchs weiter. Ihre Maschinen verkaufen sich nach Kanada, in die Vereinigten Arabischen Emirate. Ein Monteur der Firma Hartgen wurde für einen deutschen Kunden in China eingesetzt. Die Fördermaschinen "Made in Germany" finden Anwendung in der chemischen Industrie, in der Nahrungsmittel-, Pharma- und Futtermittelindustrie. Für eine weitere Kundengruppe, den Biogasanlagenbetreiber, entwickelte die Firma Hartgen vor fünf Jahren einen Trockner für Gärreste.
Den biologischen Kreislauf effizient nutzen
Dieser containerförmige Trockner wird an eine Biogasanlage angeschlossen. Die Wärme, die bei der Stromerzeugung durch Gas entsteht, wird genutzt, um Gärreste zu trocknen. Gärreste sind wiederum Güllereste, die die Biogasanlage ausscheidet, nachdem sie zuvor durch einen Vergärungsprozess Gas produziert haben. Diese Reste sind für die Gaserzeugung wertlos, bleiben aber ein hochwertiger Dünger. "Die werden aus der Biogasanlage in den Vorlagebehälter gepumpt, durch das System durchgeschleust und dabei getrocknet", erklärt der technische Leiter Erwin Kneehans. So wird ein natürlicher Kreislauf optimal genutzt.
Da trockene Düngemittel viel leichter zu transportieren sind als flüssige Gülle, sparen die Kunden Transportkosten. "Sie können das Produkt auch besser lagern, weil es ein geringeres Lagervolumen hat, weil das Material trocken ist und somit auch als Schüttgut in einer Halle gelagert werden kann", sagt Erwin Kneehans.
Schwere Krisen als Mutter und Unternehmerin
Der Gärrestetrockner war auf dem Markt gefragt. Die Zahl der Mitarbeiter der Firma Hartgen stieg auf 26. Als wieder einmal alles rund zu laufen schien, erlitt Helma Hartgen den zweiten Schicksalsschlag ihres Lebens: Ihre zwei Söhne wurden unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, der ältere starb, der jüngere wurde schwer verletzt.
Wieder einmal hat die Mutter und Unternehmerin eine schwere Krise zu meistern. Ihre Kraft schöpfe sie vor allem aus ihrer Persönlichkeit, sagt Helma Hartgen. Sie sei ein optimistischer Mensch: "Ich habe noch zwei Kinder, für die ich da sein muss. Ich habe Mitarbeiter, für die ich Verantwortung trage."
Keinen einzigen Mitarbeiter hat sie während der Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen müssen. Mit Kurzarbeit hat sich das Unternehmen vorübergehend über Wasser gehalten. Nun verzeichnt Hartgen wieder ein zweistelliges Umsatzplus.
Eine gefragte Person
Inzwischen ist Helma Hartgen eine bekannte Person in der Region. 2010 hat sie das "handwerk magazin" zur Unternehmerfrau des Jahres gekürt. Letztes Jahr hat ihr die Gemeinde Hude den Unternehmerpreis verliehen. Sogar die Bundeskanzlerin hat sie zu einer Gesprächsrunde mit Unternehmerinnen eingeladen.
Helma Hartgen hat noch einiges vor. Eine zweite Fertigungshalle will sie auf einem neu erworbenen Grundstück direkt nebenan bauen. Da die Hartgen GmbH vor kurzem ihr 25jähriges Jubiläum feierte, hat sich der Architekt der Firma etwas Originelles einfallen lassen. "Anlässlich der Feier hat er sich überlegt, mir die Baugenehmigung per Fallschirmspringer zukommen zu lassen", schmunzelt die Chefin.
Jetzt, wo das Okay vom Himmel fällt, kann ja nichts mehr schief gehen.