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Linke beruft sich auf Willy Brandt

23. Oktober 2011

Sozialismus statt Kapitalismus, Banken verstaatlichen, keine Bundeswehr-Kampfeinsätze. Mit diesen Eckpunkten wollen die deutschen Linken ihre Krise überwinden. Als Vorbild dient ein berühmter Sozialdemokrat.

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Delegierte des Bundesparteitages der Partei Die Linke stimmen in Erfurt über ein neues Parteiprogramm ab (Foto: picture-alliance/dpa)
503 Stimmen für das Programm - vier dagegen, zwölf EnthaltungenBild: picture-alliance/dpa

Geschichte wollte die Linke auf ihrem Parteitag in Erfurt schreiben. In einer Hinsicht ist ihr das erwartungsgemäß gelungen: durch die Verabschiedung des Partei-Programms, das als erstes in die Annalen eingehen soll. Noch fehlt die Bestätigung durch einen Mitglieder-Entscheid. Die Zustimmung der Basis gilt jedoch als sicher. Allerdings dürfte sie kaum so deutlich ausfallen, wie durch die rund 500 Delegierten auf dem Parteitag. Knapp 97 Prozent billigten in Erfurt ein Programm, um das seit 2007 - seit vier Jahren - teilweise erbittert gerungen worden war.

Die Parteivorsitzende der Partei 'Die Linke', Gesine Lötzsch (r) hebt am Samstag (22.10.2011) während des Bundesparteitages in Erfurt im Beisein des Parteivorsitzenden Klaus Ernst eine Stimmkarte (Foto: picture-alliance/dpa)
Gute Miene zum bösem Spiel: Lötzsch und ErnstBild: picture alliance/dpa

Fast 1400 Änderungsvorschläge sind Beleg für die Uneinigkeit der Linken. Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, die sich den Parteivorsitz seit 2010 teilen, versuchten die Zerstrittenheit als Ausdruck lebendiger Streitkultur schönzureden. Ein rhetorischer Kunstgriff, um aus dem Stimmungs- und Umfragetief herauszukommen. Nach dem guten 11,9-Prozent-Ergebnis bei der Bundestagswahl 2009 ist es den Linken nämlich nicht gelungen, diesen Rückenwind in weitere Erfolge umzuwandeln. Bei den sieben Landtagswahlen 2011 verfehlte die Partei ihre wichtigsten Ziele.

Strikt antikapitalistischer Kurs

Im Osten des Landes, wo die Linken traditionell stark sind, flogen sie sogar aus der Koalition im Stadtstaat Berlin. Dort haben sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten regiert. Trotz der sich zuspitzenden weltweiten Schuldenkrise laufen der Partei also die Wähler davon. Mit einem strikt antikapitalistischen Kurs, anknüpfend an die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts, glaubt Partei-Chef Klaus Ernst, den Trend umkehren zu können. Man stehe in der Tradition derjenigen, die vor 150 Jahren aufgebrochen seien, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beenden. Das Programm der Linken sei eine "Kampfansage an die herrschenden Verhältnisse und die Herrschenden", sagte Ernst.

Der frühere Linke-Chef Oskar Lafontaine hält am Sonntag (23.10.2011) in Erfurt eine Rede (Foto: picture-alliance/dpa)
Mitglieder-Einschwörung in ErfurtBild: picture-alliance/dpa

Die weltweiten Proteste gegen das Finanzsystem sieht er als Bestätigung linker Politik. Man sei "Teil dieser Bewegung". So einig sich die Partei in diesem Punkt ist, so uneinig ist sie sich weiterhin in der Frage von Regierungsbeteiligungen. Der Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, hält den Willen zur Macht für unentbehrlich. Die SPD als potenzieller Koalitionspartner sei kein Feind, sie müsse nur wieder sozialdemokratischer werden, meint Gysi.

Humanitäre Militäreinsätze werden nicht ausgeschlossen

Auf dem Erfurter Parteitag berief er sich mehrmals auf den früheren SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, insbesondere auf dessen Friedenspolitik. Krieg sei das letzte irrationale Mittel, habe Brandt bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn gesagt. Da die SPD Krieg für das letzte rationale Mittel halte, gehöre ihnen Willy Brandt nicht mehr. Der gehöre nun der Linken, und darauf sei er stolz, betonte Gysi.

Kampfeinsätze der Bundeswehr lehnt die Linke in ihrem Programm grundsätzlich ab. Die NATO soll aufgelöst werden, lautet eine unmissverständliche Forderung. Humanitäre Interventionen sollen allerdings unter Führung der Vereinten Nationen (UN) möglich sein. Um Kriege einzudämmen, plädieren die Linken für ein Verbot von Rüstungsexporten. Mit deutschen Waffen würden diktatorische und autokratische Regime wie beispielsweise in Saudi-Arabien unterstützt.

Frieden und Gerechtigkeit hält die Partei letztlich nur für möglich, wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung überwunden wird. Daran vor allem denkt die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch, wenn sie behauptet, mit dem neuen Programm Geschichte zu schreiben. "Die Linke will eine Gesellschaft gestalten, in der nicht mehr das Geld regiert, sondern das Volk." Das Erfurter Programm werde das Land verändern, da sei sie sich ganz sicher, sagte Lötzsch.

Lafontaine vor Comeback?

Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im saarlaendischen Landtag, Oskar Lafontaine, gestikuliert am Sonntag (23.10.11) auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Erfurt waehrend seiner Rede (Foto: picture-alliance/dpa)
Lafontaine: Kommt er wieder für die Bundestagswahl?Bild: dapd

Unklar ist noch, welche Rolle der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine künftig spielen will. Anfang 2010 hatte er sich krankheitsbedingt aus der Linken-Spitze zurückgezogen. Sein engagierter Auftritt in Erfurt lässt sich als Hinweis darauf deuten, dass er mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 sein Comeback plant. Die Reihen müssten geschlossen werden, appellierte Lafontaine an die Partei. Man müsse sich mehr auf den politischen Gegner konzentrieren und weniger auf sich selbst.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Nicole Scherschun