Piraterie in der Architektur
22. April 2013In der Musikindustrie ist Piraterie regelmäßig Anlass, laut den Untergang der Branche heraufzubeschwören. Nun sorgte ein Vorfall in der Architektur für Aufregung. Das international angesehene Architekturbüro der irakisch-britischen Stararchitektin Zaha Hadid klagte gegen die Raubkopie eines Gebäudes.
Ein eindrucksvoller, wellenförmig geschwungener Baukomplex in Peking wird derzeit auch in Chongqing im Südwesten Chinas nachgebaut - beinahe eins zu eins. Das Architekturbüro klagte dagegen; das Verfahren über die Ländergrenzen hinweg war aufwendig und kompliziert. Wie definiert welches Land geistiges Eigentum? Handelt es sich um ein funktionales Gebäude oder um einzigartige Kunstgriffe?
Mittlerweile hat Zaha Hadid Architects die Klage wieder zurückgezogen - auf Wunsch des Kunden. Der wollte dem Plagiat nicht noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit schenken.
Raubzug durch die Architektur?
Das ungenierte Copyright Chinas sorgte nicht das erste Mal für Schlagzeilen. 2011 hatten Chinesen das Weltkulturerbe-Dorf Hallstatt in Österreich in allen Einzelheiten fotografiert und dann in der südchinesischen Provinz Guangdong nachgebaut. Schnell war der Begriff "Architektur-Piraten" in aller Munde.
Erst kaperten Piraten die Produktindustrie, nun gingen sie auf die Architektur los, so dachte man. Falsch gedacht. Im Architekturbüro von Zaha Hadid muss man in der Regel eher schmunzeln, wenn Architekten beklagen, jemand habe ihre Arbeiten plagiiert. Denn das ist das, was die Architekturszene ausmacht. Gebäudestile, Grundrisse oder bestimmte "Typologien" wurden schon immer nachgebildet, dadurch entstand aus einer Idee eine Strömung, die entwickelte sich wiederum zur Stilepoche.
Piraterie entwickelt Stil
Berühmte Bauwerke gibt es oft mehrmals als Kopien auf der Welt. Man denke nur an Schloss Versailles. "Wir freuen uns, wenn andere ähnlich arbeiten wie wir und damit Zuspruch bei den Klienten findet. So gewinnt unsere Richtung mehr Einfluss und der Erfolg spiegelt sich auf uns zurück", sagt der Architekt Patrik Schumacher, Partner von Zaha Hadid.
Das gilt auch für Architekten in China. Hier haben sich Zaha Hadid Architects einen Namen gemacht. Der Bauklau in Chongqing war ein Ausnahmefall. Dennoch hatte das und die Kopie von Hallstatt den Eindruck erweckt, dass gerade in China Architektur-Piraten lauern. Doch dieser Eindruck trügt, sagt Axel Bienhaus, Architekt des Büros Albert Speer & Partner (AS&P): "China steht einfach wegen der besonderen Wirtschaftskraft im Fokus. Ich kann nicht feststellen, dass dort Gebäudeplagiate häufiger vorkommen als in Russland oder sonst wo auf der Welt." AS&P baut in Ländern weltweit und hat bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Was ein Plagiat in der Architektur ist, sei ohnehin schwer zu ermitteln: "Die Übergänge von einem Plagiat einem Zitat - oder dem Weiterentwickeln - sind in der Architektur fließend", so Bienhaus.
Die Zukunft der Konzeptentwicklung
Hinzu kommt, dass die Projekte immer komplexer und größer werden. Architekten müssen in Teams arbeiten, um dies zu bewältigen. Dabei kommen die unterschiedlichsten Stile und Einflüsse zusammen. Wie wichtig diese kollektive Konzeptentwicklung ist, lehren Hadid und Schumacher ihren Studenten an verschiedenen Universitäten. "Es geht uns darum, dass man innovative Ideen weiterträgt, neu kombiniert und daraus dann etwas Kreatives, Originelles entwickelt", sagt Schumacher.