Rechter Hass im Web 2.0
29. August 2007"So ist er, der Jud" von den "Zittertaler Türkenjägern", oder "Sturmführer in der SS" von der Rechtsrockgruppe "Landser": Obwohl in Deutschland indiziert, kann man sich Musikvideos rechtsextremer Bands auf YouTube problemlos ansehen. Ausschnitte aus dem antisemitischen NS-Streifen "Jud Süss" oder Aufmärsche ostdeutscher Nazi-Skinheads hat das beliebteste Videoportal der Welt ebenfalls im Programm.
Empörung in Deutschland
Der deutsche Zentralrat der Juden erwägt deshalb eine Strafanzeige gegen die Online-Instanz YouTube. Das Unternehmen mache sich der Volksverhetzung schuldig, sagte Vizepräsident Samuel Korn am Montag (27.8.07) im TV-Magazin "Report Mainz". Der Innenpolitische Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, Dieter Wiefelspütz, fordert in dem Bericht Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
Nationale Rechtsprechung greift nicht
Doch mehr als empören können sich Kritiker aus Deutschland nicht. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs sind Webseitenbetreiber zwar spätestens für die hochgeladenen Video- und Audio-Beiträge verantwortlich, sobald sie auf deren möglicherweise rechtswidrige Inhalte hingewiesen werden. Das gilt jedoch nur für Internetseiten aus Deutschland. Die Contentprovider stellen die Webseite des Videoportals YouTube von Kalifornien aus ins Netz. Und dort ist rechtsextreme Hetze nicht strafbar.
"Die Deutsche Brille ist problematisch"
"Es gibt klare Unterschiede in den Wert- und Rechtsvorstellungen", sagt Sabine Frank. Nach amerikanischem Verständnis überwiege die Meinungsfreiheit gegenüber anderen Rechtsgütern in vielen dieser Fälle. Sabine Frank ist Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Seit 1997 setzt sich der Verein laut Selbstdarstellung gegen die Verbreitung rechtswidriger und jugendgefährdender Inhalte deutscher Online-Dienste ein.
Zu den Mitgliedern gehört auch die deutsche Niederlassung von Google. Der Suchmaschine-Gigant hatte YouTube im Herbst 2006 für umgerechnet 1,65 Milliarden Euro gekauft. Sabine Frank hält die spezifisch deutsche Sichtweise auf rechtsradikale Propaganda für schwer generalisierbar angesichts des globalen Mediums Internet. Zu Inhalten wie Kinderpornographie gebe es einen international vereinbarten Minimalkonsens. "Aber beim Thema Rechtsextremismus existieren schon zwischen europäischen Staaten große Unterschiede in der rechtlichen Bewertung."
YouTube verstummt gegenüber Kritikern
Die Internet-Kontrolleinrichtung der Bundesländer Jugendschutz.net hat einem Fernsehbericht zufolge mehr als 100 Abmahnungen wegen rechtsextremer Inhalte an YouTube gerichtet. Eine Antwort habe es nie gegeben, sagen die Jugendschützer. Im September des Vorjahres hatten die Betreiber hingegen eine selbstproduzierte "Wochenschau" der rechtsradikalen Nationalen Partei Deutschlands (NPD) bereits nach deren Testlauf von der Seite verbannt. Im Umgang mit extremistischer Propaganda scheint das Portal, auf dem täglich bis zu 100 Millionen Filme angesehen werden, keine einheitliche Linie zu verfolgen. Zu Medienanfragen zum Thema äußern sich die Kalifornier so gut wie nie.
Dabei widersprechen gegen Rasse oder Religion gerichtete Inhalte klar den Nutzungsbestimmungen von YouTube. Die muss jeder Nutzer, der Videos einstellt, mit seiner Anmeldung anerkennen. Für Zuschauer gibt es zwar eine Möglichkeit, bedenkliche Filminhalte zu melden, doch die werden dann lediglich für nicht angemeldete Nutzer gesperrt. Und anmelden kann man sich schnell, eine Altersprüfung gibt es nicht.
Deutscher Hitler-Parodie ist der Hit
Sabine Frank von der FSM sieht dennoch den User und nicht nationale Gerichte in der Pflicht, die Betreiber auf problematische Inhalte hinzuweisen. Und auf die scheint Verlass: Gibt man "Adolf Hitler" bei YouTube ein, entpuppt sich eine Zeichentrickparodie aus der Feder des deutschen Comic-Zeichner Walter Moers als der meistgesehene Film: 2.902.128 Mal wollten Nutzer bisher sehen, wie Gummi-Entchen im Hitler-Look an den "Führer" im Bunker appellieren, doch endlich zu kapitulieren.