Spam im Dienste Assads
2. August 2012"Hier stehen Ihnen E-Mail-Adressen und Passwörter von Al-Jazeera-Mitarbeitern zur Verfügung", brüstet sich die Website der "Syrischen Elektronischen Armee". "40 britische und 150 amerikanische Nachrichtenseiten haben wir unter Kontrolle, außerdem Websites von 'Auslandssyrern', die den Terror gegen unser Land unterstützen."
Das Portal versteht sich als propagandistischer Arm des Regimes von Baschar al-Assad im Internet und ermutigt seine User dazu, dem bedrängten Diktator in Form von Spam-Attacken beizustehen. "Wir müssen gegen diejenigen Medien vorgehen, die Lügen über Syrien und unseren großartigen Führer verbreiten", heißt es in Aufrufen. Das Ergebnis solcher Aufrufe erscheint regelmäßig auf den Facebook-Seiten kritischer und unabhängiger internationaler Medien wie Al Jazeera, BBC Arabic oder dem arabischen Angebot der DW: Binnen weniger Minuten erscheinen dort plötzlich hunderte fast wortgleiche, offensichtlich automatisierte Kommentare echter oder vermeintlicher User, die Syriens Machthaber und seine Armee mit Lob überschütten und Regimegegner als "Hunde", "Terroristen" oder "Handlanger der Zionisten" beschimpfen.
"Elektronische Armee" macht Propaganda
Die "Syrische Elektronische Armee" ist auf Facebook, Twitter und Youtube aktiv und setzt sich nach eigener Darstellung dafür ein, "gegen Medien zu kämpfen, die die Wahrheit manipulieren“. Viele Experten und auch Regimegegner vermuten allerdings, dass es sich nicht um eine Privatinitiative von Assad-Anhängern handelt, sondern dass einer der zahlreichen syrischen Geheimdienste seine Hände mit im Spiel hat.
“Das Regime hat diese Seite eindeutig mit dem Ziel gegründet, die Websites der Opposition anzugreifen", meint zum Beispiel der in Deutschland lebende syrische Aktivist Amer Matar. Assad habe den Administratoren der "Syrischen Elektronischen Armee" in öffentlichen Reden deshalb bereits mehrfach für ihr Engagement gedankt.
Facebook hat die Seite der "Syrischen Elektronischen Armee“ mehrfach gesperrt, aber die Macher finden immer wieder Wege, die Seite neu zu installieren. Ähnliche Erfahrungen machen Administratoren bei professionellen Medien, die versuchen, die Spam-Angriffe von Assads "Elektronischer Armee" zu löschen oder entsprechende Userprofile zu sperren. Binnen weniger Minuten tauchen sie mit neuem Profil auf und verbreiten wortgleich dieselbe Propaganda. Offenbar sind Profis am Werk.
Gewalt dokumentieren oder verherrlichen?
Wüste Beschimpfungen sind allerdings auch auf Plattformen zu finden, die von Assad-Gegnern betrieben werden. Facebook-Mitbegründer Dustin Moskovitz hat deswegen vor einiger Zeit in einem Zeitungsinterview erklärt, man wolle schrittweise alle Fanseiten von syrischen Konfliktbeteiligten sperren lassen, in denen Gewalt verbreitet wird. Aber wird hier Gewalt verherrlicht oder bloß dokumentiert? Die Grenzen sind oft fließend.
Eine pauschale Sperrung wäre politisch jedenfalls schwer zu begründen. Da im syrischen Überwachungsstaat strikte Medienzensur herrscht, ist das Internet für Rebellen und andere Regimegegner vor Ort oft der einzige Weg, um Informationen beispielsweise über Menschenrechtsverletzungen syrischer Sicherheitskräfte an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Authentizität solcher meist mit Handy-Kameras gefilmter Videos auf Facebook und Youtube kann allerdings oftmals kaum überprüft werden. Dass sie zu Propagandazwecken manipuliert sind, kann so gut wie niemals mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden.
Das journalistische Prinzip des "Checkens und Gegencheckens" wurde deshalb im Falle Syriens bei vielen internationalen Medien zwangsläufig aufgeweicht: Da die meisten Journalisten sich kein eigenes unabhängiges Bild vor Ort machen können, bleibt oft nur der Verweis auf die Youtube-Videos, verbunden mit der obligatorischen Anmerkung "Die Authentizität des Videos ist nicht nachweisbar".
Syriens Diktator als Chinese
Für die Opposition sind Facebook, Youtube und Co. aber nicht nur als Plattform für die Übermittlung wichtiger Informationen wichtig. Die Sozialen Netzwerke dienen auch als Forum für originelle Formen der Regimekritik. Einigen Kultstatus genießt dabei die Facebook-Seite "Die chinesische Revolution gegen den chinesischen Tyrannen", in der es nur vordergründig um Assads politische Verbündete in Peking geht. In Wirklichkeit ist mit der "chinesischen Revolution" die syrische gemeint, als "chinesischer Tyrann" fungiert Diktator Baschar al-Assad - und die meisten syrischen Regimevertreter werden mit lustig klingenden, chinesisch anmutenden Wortendungen ausgestattet. Die Seite wird von zwei syrischen Studenten betrieben, von denen einer in einem Skype-Interview erklärt hat: "Die Leute fühlen sich besser, wenn sie statt -Assad den chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao kritisieren können." Besser - und vermutlich auch sicherer.