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Kunst

"Wenn man an etwas glaubt, erreicht man es"

Rick Fulker
26. Juni 2017

Die erst 19 Jahre alte libysche Künstlerin Takwa Barnosa gründete vor zwei Jahren eine Kunststiftung in ihrer Heimat. Der DW erzählte sie, was sie damit erreichen möchte.

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Takwa Barnosa (links) mit der nabischen Unternehmerin Zodidi Jewel Gaseb bei der Podiumsdiskussion
Takwa Barnosa (links) mit der nabischen Unternehmerin Zodidi Jewel GasebBild: DW/K. Danetzki

Takwa Barnosa gilt als eine der interessantesten Künstlerinnen im Nahen und Mittleren Osten. In ihren eigenen Werken übermalt sie oft aktuelle Nachrichtenbilder mit kalligraphischen Kommentaren, die den Beobachter anregen, sich eine eigene Meinung zum Dargestellten zu bilden. In ihrem Land, dessen Alltag von einer Vielzahl von Milizen, verfeindeten Clans und Flüchtlingen aus ganz Afrika erschüttert ist, gehört sie zu einem Kreis junger, kreativer Menschen, die Freiräume nutzen, um ganz eigene Wege zu gehen und damit vielleicht auch Weichen zu stellen.

Deutsche Welle: Die soziale Ordnung in Libyen ist schwer gestört, der Alltag oft schlicht chaotisch. Wie haben Sie es geschafft, dort eine Kunststiftung zu gründen? Haben Sie Unterstützung erhalten?

Takwa Barnosa: Nein, wir bekommen keine finanzielle Unterstützung. Ich habe das Projekt selber initiiert. 2013 wollte ich Kunst- und Kulturmanagement im Ausland studieren, aber ein Visum zu bekommen war schwer. Deshalb habe ich mich an der Universität Tripoli an der Kulturfakultät eingeschrieben. Das, was ich lernen wollte, wird im libyschen Ausbildungssystem noch nicht angeboten.

Was haben Sie damals gesucht?

Zunächst wollte ich mir selber - und danach anderen Menschen - eine Möglichkeit geben, unsere Kunst zu teilen. Es ging auch darum, eine Plattform zu bieten, wo die Menschen sich treffen, Ideen austauschen und vielleicht auch Kunstprojekte ins Leben rufen können. Also begann ich damit in der Schule, wo meine Mutter unterrichtet. Ich habe dort einen kleinen Kurs gegeben und auch meine Kunst gemacht. Dann kamen Freunde hinzu und malten eigene Werke. Es war nur ein kleiner Kreis, aber er wurde größer und mit ihm wuchs auch mein Traum. Ich habe dann meine Mutter überzeugt, statt meines Auslandsstudiums ein Projekt zu finanzieren. Ich habe schließlich einen geeigneten Ort für eine Galerie der modernen Kunst in Libyen gefunden. Die Eröffnung war im November 2016.

Welchen Aktivitäten gehen Sie dort nach?

Neben der Planung und Durchführung von Ausstellungen haben sich Workshops zu den Themen Malerei, Kultur und Literatur etabliert. Es gibt auch Filmvorführungen und Diskussionen zur Kunst in Libyen: sowohl zur historischen Betrachtung als auch zur Entwicklung der gegenwärtigen Kunstszene. Darüber hinaus veranstalten wir Events zu besonderen Anlässen, wie etwa Van Goghs Geburtstag. Es gibt auch eine Kunstwerkstatt, wo Künstler und andere kreative Menschen sich treffen und Ideen austauschen. Sie bringen ihr eigenes Arbeitsmaterial mit und können dort machen, was sie wollen. Alter und Hintergrund spielen keine Rolle.

Teilnehmer zur Podiumsdiskussion Culture.Identity.Diversity im Bonner Plenarsaal
Takwa Barnosa (Fünfte von Links) diskutierte mit beim GMF-Panel "Culture.Identity.Diversity"Bild: DW/K. Danetzki

Wie ist die Einstellung der Menschen in Libyen zur Kunst? Wird sie als lebensnotwendig angesehen? Oder eher als überflüssig in einem Land, wo ein täglicher Überlebenskampf stattfindet?

Seitdem wir begonnen haben, sehe ich, wie die Einstellung sich allmählich ändert. Zunächst hielten die Menschen das Ganze für eine Verschwendung von Zeit, Geld und Energie. Auch meine Eltern waren anfangs nicht überzeugt. Das ist völlig verständlich: Wenn eine Siebzehnjährige sagt, sie möchte nicht studieren sondern lieber eine Kunstgalerie eröffnen, dann ist das ein ziemlich kühner Schritt. Aber schließlich stimmte meine Mutter zu, weil sie erkannt hatte, wie sehr ich daran glaubte. Und wenn man an etwas glaubt, erreicht man es auch.

Nach und nach haben wir neue Aktionen gestartet. Wir bekamen positives Feedback, auch dann, als wir Kinder und Jugendliche ins Visier nahmen. Man sieht, wie die Kunstszene in Libyen wächst. Das geht zwar langsam voran, aber immer mehr Menschen werden zu aktiven Kunstschaffenden. Sogar Leute, die vorher gar nicht kreativ tätig waren, haben begonnen, in der Kunst Inhalte zu erkennen, die für ihr eigenes Leben eine Bedeutung haben.

Wie kann die Beschäftigung mit Kunst einen Menschen verändern? Können Sie ein Beispiel geben?

Ich denke da an einen Jungen, der zweimal in der Woche zu uns mit seiner Schulklasse kam und sich über die Kunst von Vincent Van Gogh lustig machte. Dann erklärte ihm der Lehrer einiges zu den Bildern, wie die Lichteffekte oder die Verwendung der Farben. Ein Monat später kam seine Mutter zu uns und sagte: "Was haben Sie mit meinem Kind gemacht?" Er hatte aufgehört, alles nachzuzeichnen - bis auf ein Gemälde von Van Gogh. Er ahmte die Maltechnik nach mit dem Ziel, genauso gut zu werden. Später haben wir mit ihm gesprochen, und er sagte tatsächlich: "Ich will es professioneller als Van Gogh machen!" Für mich war das ein richtiger Höhepunkt.

Ein weiteres Beispiel: Eine Künstlerfreundin von mir arbeitet ziemlich in der Isolation. Eigentlich gilt das für viele Künstler. Meist leben sie in ihren eigenen Welten, und für die Kreativität kann das sogar sehr förderlich sein. Zunächst kam diese Freundin nur zur Galerie, um mit mir zu reden. Dann ging sie in ihr stilles Kämmerlein zurück, so als hätte sie die anderen Menschen hier gar nicht wahrgenommen. Aber nach einiger Zeit verließ sie allmählich ihre Schutzzone und tauschte sich mit ihnen aus. Gleichzeitig konnte ich beobachten, wie sich ihre Kunstpraxis weiterentwickelte. Sie fing an, andere Farben zu verwenden und neue Techniken zu entdecken. Das war für mich eine zusätzliche Inspiration.

Sie erhalten also keinerlei institutionelle Unterstützung. Mischt sich denn jemand bei Ihnen ein seitens der Regierung oder religiöser Institutionen? Hat man Ihnen mal gesagt: "Dies möchten wir sehen, und das andere lieber nicht"?

Noch nicht. Ich komme sogar aus einer gläubigen Familie, die nicht gerade künstlerisch ist. Und was die Behörden betrifft: Weil ich sie nie um Förderung gebeten habe, gab es bisher keine Verbindung zu ihnen.

Das Interview führte Rick Fulker.