Dalai Lama in Taiwan
1. September 2009Blitzlichtgewitter und Mediengedränge begleiten den Dalai Lama dieser Tage in Taiwan überall. Dass sein Besuch so eine Bedeutung bekommen hat, liegt vor allem an China. Für die Regierung in Peking ist Tibets Religionsoberhaupt ein gefährlicher Separatist, und das eigenständige Taiwan ein Teil der Volksrepublik. Nun versuchen alle Beteiligten, die Brisanz herunterzuspielen.
Der Dalai Lama sei ausschließlich in Taiwan, um für die Opfer des Taifuns Morakot zu beten, bei dem im August mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen sind, sagt Tashi Tsering. Er leitet in Taiwan den Tibetischen Jugendkongress, eine Lobby-Organisation für die Unabhängigkeit Tibets, und sagt: "Der Besuch seiner Heiligkeit in Taiwan ist komplett religiös. Für Buddhisten hat es große Bedeutung, dass er für die Taifun-Opfer betet. Bei seinen Auftritten geht es nur um Religion. Aber wenn die Medien in einer Pressekonferenz etwas Politisches fragen - wer weiß, was er dann antwortet."
Pressekonferenzen abgesagt
Also wurden geplante Pressekonferenzen mit dem Dalai Lama kurzfristig abgesagt. Denn auch wenn es in Taiwan viele gläubige Buddhisten gibt – der Besuch des Dalai Lama hat hier vor allem politische Sprengkraft. Taiwans Präsident Ma Ying-jeou von der Kuomintang-Partei will seit seinem Amtsantritt vor allem das Verhältnis zu China verbessern. Ein Besuch des von Peking heftig angefeindeten Dalai Lama passt da gar nicht.
Doch nach dem Taifun steht die Regierung nun heftig in der Kritik. Nach Meinung der meisten Bürger hat sie zu langsam und zögerlich auf die Katastrophe reagiert. Für die Opposition ein perfekter Zeitpunkt, den angeschlagenen Präsidenten in die Zwickmühle zu bringen. Sieben Bürgermeister und Landräte aus den betroffenen Regionen in Südtaiwan, allesamt Mitglieder der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), forderten den Besuch des Dalai Lama. Eine Zurückweisung aus Rücksicht auf China hätte für Ma diesmal wohl politischen Selbstmord bedeutet. Also willigte er ein.
Scharfe Kritik aus Peking
Die Reaktion folgte prompt, verbreitet im chinesischen Staatsfernsehen. Dabei attackierte Peking nur Taiwans unbequeme Opposition, nicht den Präsidenten: "Die DPP hat den Dalai Lama eingeladen, der schon lange als Separatist bekannt ist. Wir kritisieren das aufs Schärfste. Der Besuch des Dalai Lama in Taiwan wird die Beziehungen zwischen Taiwan und China beschädigen."
Dabei hat der Dalai Lama Taiwan bereits zweimal besucht. 1997 und 2001 hatte er sogar die damaligen Präsidenten getroffen. Dazu wird es diesmal nicht kommen. Ma hält Abstand. Als er vergangenes Jahr gewählt wurde, hatte er noch gesagt, der Dalai Lama sei in Taiwan jederzeit willkommen. Doch schon kurz darauf hieß es, die Zeit sei nicht günstig für einen Besuch. Das war damals eine große Enttäuschung für die Exiltibeter in Taiwan. Und nicht die erste, erinnert sich Tashi Tsering: "Vor der Wahl kam Ma zu uns und sagte: Falls sich die Menschenrechts-Situation in Tibet nicht verbessere, werde er die Kontakte zu China einstellen. Und außerdem werde Taiwan die Olympischen Spiele boykottieren. Als er dann Präsident geworden ist, hat er wohl vergessen, was er vorher gesagt hatte."
Warnung vor Annäherung an China
Seit Monaten warnt Taiwans Opposition vor einer allzu bereitwilligen Annäherung an China. Nur wollte das bislang kaum jemand hören. Jetzt nutzt die DPP das Medieninteresse rund um den Dalai Lama für ihre Kritik. "Wenn China wirklich so um Taiwan besorgt ist und auf unserer Seite stehen will", sagt eine DPP-Politikerin auf einem der zahlreichen Nachrichtenkanäle, "dann sollten sie diesen Fall auch aus der Menschenrechts-Perspektive sehen und es begrüßen, wenn ein religiöser Führer wie der Dalai Lama nach Taiwan kommt, um für die Opfer zu beten."
Die Medien versuchen währenddessen auch ohne Pressekonferenzen, dem Dalai Lama Politisches zu entlocken. Beim Besuch des Dorfes Xiaolin, in dem 400 Menschen verschüttet worden waren, sagte er: Es sei für die Menschen in Taiwan wichtig, ihre Demokratie zu erhalten. Dazu müssten sie ihre gemeinsamen Interessen erkennen und zusammenarbeiten.
Autor: Klaus Bardenhagen
Redaktion: Mathias Bölinger