Umweltschäden
8. November 2011Bei Greenpeace ist man überzeugt: Erdgas wird für Deutschland in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten ein wichtiger Energieträger sein, gerade beim Übergang zu einer Vollversorgung durch erneuerbare Energien, die bis zum Jahr 2045 erreicht werden soll. "Von daher ist es für uns selbstverständlich, dass der Import von Erdgas etwas Positives ist", betont Tobias Münchmeyer, der stellvertretende Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin. "Aus Sicht von Greenpeace ist es gleichgültig, ob eine Pipeline über andere Länder verläuft und Transitgebühren fällig werden oder durch einen neutralen Bereich wie die Ostsee, wenn nur sichergestellt ist, dass der ökologischer Eingriff nicht zu tief ist", erklärt er weiter.
Anfänglich große Skepsis
Anfangs standen Umweltschützer dem Bau der neuen Gasleitung von Russland nach Deutschland sehr skeptisch gegenüber. Sie zogen sogar vor Gericht. Beim Bau von Kanälen für die Pipeline muss weiches Sediment ausgehoben werden. Dieser tonartige Boden sollte ursprünglich im Wasser gelagert werden und hätte dann zu einem großflächigen Absterben von Bodenlebewesen führen können. "Wir hatten Anfang 2010 gegen die Genehmigung geklagt, diese Materialien dort im Wasser abzulagern", sagt Jochen Lamp, Leiter des Ostseebüros des WWF Deutschland in Greifswald. Schließlich seien diese Materialien dann aber an Land gebracht worden.
Die Klage gegen Nord Stream wurde zurückgezogen. "Wir haben im Verlauf des Projekts festgestellt, dass Gazprom und das Konsortium lernfähig und lernwillig gewesen sind und dort auch auf Bedenken und Kritik von Umweltschützern eingegangen worden ist", sagt Münchmeyer. Der Eingriff in die Meeresumwelt sei im Falle von Nord Stream vertretbar. "Es gibt da ganz andere Projekte von Gazprom, aber auch von anderen Firmen, die wir ökologisch für höchst bedenklich halten", so der Greenpeace-Vertreter. Das seien Pipelines von Russland nach China durch das Altai-Gebiet oder auch das russische South Stream-Projekt durch das Schwarze Meer.
Bedenken gegen Pipeline-Verlauf
Auch die Wahl der Route für die neue Pipeline war umstritten. Aus Sicht von Greenpeace wäre die beste Option gewesen, parallel zu existierenden Pipelines eine neue zu verlegen, entweder durch Belarus und Polen oder durch die Ukraine, so Münchmeyer. Auch der WWF hatte gefordert, die Landalternative zu untersuchen. "Am Ende hat aber der Betreiber den Seeweg gewählt und die Länder, die dazu eine Genehmigung erteilen müssen, haben diese auch erteilt. Insofern sind wir als Umweltverbände irgendwo mit unserem Latein am Ende", so WWF-Vertreter Lamp.
Russische Umweltschützer machen sich vor allem wegen der in der Ostsee nach dem Zweiten Weltkrieg versenkten chemischen Waffen Sorgen. Deswegen hätten sie vor dem Bau der Pipeline gewarnt, erläuterte Alexander Nikitin, der Leiter des Petersburger Büros der norwegischen Umweltorganisation Bellona. Doch Nord Stream-Pressesprecher Jens Müller sagt, sein Unternehmen habe die Munitionsbestände genau untersucht. "Dazu haben Untersuchungsschiffe mehr als 40.000 Kilometer auf der Ostsee zurückgelegt. Wir haben mit neuer Technologie mehr als 3000 Metallkörper auf dem Ostseeboden entlang unseres Routenverlaufs identifiziert", erläutert er. Etwa 80 Seeminen seien so beseitigt worden. Probleme mit Munition im Routenverlauf habe es keine gegeben.
Wenn es aber doch zu einem Unfall kommen sollte, wären die Folgen kaum absehbar, meint der russische Umweltschützer Nikitin. Der Nord Stream-Vertreter sieht das anders. Bei einer Beschädigung der Pipeline würde nur Methan in die Atmosphäre gelangen, eine Gaswolke würde sich nicht bilden. "Der verwendete Stahl und seine Betonummantelung reduzieren das Risiko auf sinkende Schiffe oder sehr große Anker. Aber beim Routenverlauf wurde versucht, Schifffahrtsrouten soweit wie möglich zu vermeiden", erläutert Müller.
Ständiges Umwelt-Monitoring notwendig
Insgesamt habe Nord Stream in die Untersuchungen und Planungen mehr als 100 Millionen Euro investiert. "Das Monitoring wird auch während des Betriebs fortgesetzt, sodass sich immer nachvollziehen lässt, welche Einflüsse diese Pipeline auf die Ostsee ausübt", versichert der Nord Stream-Pressesprecher.
Dass der Pipeline-Bau dem fragilen Ökosystem der Ostsee trotz der Umweltschutzmaßnahmen, die von der Nord Stream AG ergriffen worden seien, schade, daran halten Umweltschützer fest. "Die Ostsee ist flach und klein. Man muss sie besonders sorgfältig behandeln", meint Nikitin von der Umweltorganisation Bellona. Auch sein deutscher Kollege Lamp vom WWF glaubt, dass die Folgen des Baus noch über Jahre zu spüren sind.
Autor: Viacheslav Yurin / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann